Sonntagseröffnung des Jettinger Herbst
Sehr geehrte Damen und Herren,
Der Gewerbeverein eröffnet heute wieder den Jettinger Herbst mit den Energietagen. Beim Stichwort Energie und Umwelt denkt momentan jeder zuerst an die weltweiten Demonstrationen von „Fridays for Future“ – freitags demonstrieren junge Leute für die Zukunft.
Hier in Jettingen wird die Zukunft am Sonntag schon gemacht. Ich bin mir sicher, dass wir nachher bei unserem Rundgang viele innovative Unternehmen sehen werden, die am heutigen Sunday for Future zeigen, dass sie jeden Tag mit viel Optimismus an den technischen Lösungen der Zukunft arbeiten. Dass sich die jungen Leute über ihre Zukunft Gedanken machen und ungeduldig ihre Forderungen formulieren, finde ich richtig und gut: Sie haben Ideen, sie wollen mitreden und mitbestimmen, sie bereichern die gesellschaftliche Debatte.
Das haben viele von uns früher ja auch gemacht: Die eigenen Ideen und Überzeugungen lautstark verkünden und die ältere Generation in die Verantwortung nehmen.
Aber ich hoffe sehr, dass sich diese jungen Leute darüber hinaus auch selber in die Verantwortung nehmen lassen, dass sie sich langfristig und verbindlich engagieren, z.B. im Ehrenamt, in den Vereinen und Kirchen, in den politischen Gremien, zum Bespiel im Gemeinderat. Denn hier können sie mitentscheiden. Dann geht es z.B. darum, ob ein neuer Verkehrskreisel mit pflegeleichtem Rasen oder mit bienenfreundlichen Blumen bepflanzt wird. Oder wie ein neues Wohngebiet aussehen soll, wie hier in Jettingen das Baugebiet „Amsel“, für das ja im März Spatenstich war. Hier können sie jede Entscheidung unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit unter die Lupe nehmen. Das ist zwar anstrengend, aber das ist wirksam. Allen Gemeinderäten, die sich dieser Anstrengung unterziehen, danke ich sehr herzlich. Sie leisten damit einen großen Beitrag für uns alle und für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.
In den Energietagen beim Jettinger Herbst, liebe Frau Niethammer, steckt auch viel ehrenamtliches Engagement – von Ihnen und Ihrem Team. Und zwar schon seit vielen Jahren ganz regelmäßig und zuverlässig. Dafür danke ich Ihnen ebenfalls sehr herzlich. Vor über zwei Jahrzehnten hat sich Jettingen auch schon der regenerativen Energie geöffnet. Die einzigen beiden Windräder im Kreis Böblingen wurden hier in Jettingen aufgestellt, nämlich 1995. Dass es nicht mehr wurden hat wahrscheinlich etwas mit wirtschaftlichem Denken und mit schwäbischer Gründlichkeit zu tun.
Gründlichkeit, Erfindergeist und Geschäftigkeit, Realitätssinn und Durchhaltevermögen- Meine Damen und Herren, das sind typisch schwäbische Tugenden, das sind unsere Stärken, das zeichnet unsere Betriebe aus, gerade die kleinen und mittleren Familienbetriebe. Und davon haben wir besonders viele und besonders erfolgreiche.
Das Handwerk hat z.B. 2018 ein Umsatzplus von 4,6 Prozent erzielt und die Zahl der Beschäftigten lag sogar noch über dem Vorjahresniveau. Der Mittelstand ist also sehr erfolgreich, aber er steht auch vor großen Herausforderungen mit vielen Unbekannten. Dazu gehört, dass dauerhaft sicherer Strom in unserer hochtechnisierten Gesellschaft unverzichtbar geworden ist. Stellen wir uns nur einmal kurz vor was passiert, wenn der Strom flächendeckend ausfällt. In Jettingen ging das Licht letztes Jahr auch schon mal kurzzeitig aus.
Wenn das länger dauert: Da gibt’s dann keine Heizung, kein warmes Wasser, der Kühlschrank funktioniert nicht mehr und wenn das Handy erst einmal aus ist, bleibt es aus. Und was ein längerer Stromausfall für den Verkehr und die Mobilität bedeuten würde, will ich mir gar nicht ausmalen: Das blanke Chaos. Energie ist für uns also zu einer existentiellen Grundlage der Zivilisation geworden. Wir brauchen sie Tag und Nacht und zwar zuverlässig und auf hohem Niveau. Aber der Strom soll nicht nur einfach aus der Steckdose kommen – wir erwarten heute auch, dass er klimaneutral und umweltfreundlich ist.
In der Vergangenheit haben wir uns sehr bemüht, Strom zu sparen. Moderne Bautechnik, moderne Wärmetechnik – das war immer auch ein Thema Ihrer Gewerbeschau zum Jettinger Herbst – dabei waren wir sehr erfindungsreich und konnten viel Energie einsparen. Aber an anderer Stelle, neuerdings z.B. durch die Elektroautos, erhöhen wir unseren Energieverbrauch wieder. Gleichzeitig soll der Strompreis möglichst niedrig bleiben. Das wünschen sich die Verbraucher. Und das braucht auch unsere Wirtschaft, wenn sie im Vergleich zu unseren Nachbarländern konkurrenzfähig bleiben will.
Erst im August veröffentlichte das Statistische Bundesamt einen Wachstumsrückgang des Bruttoinlandsproduktes von 0,1 Prozent. Wir können also nicht davon ausgehen, dass die Wirtschaft ganz selbstverständlich immer rund läuft. Für die Politik heißt dies, dass wir die Wirtschaft nicht noch stärker belasten dürfen, sondern intelligente Wege finden müssen, um das Dilemma zu lösen. Je größer die Herausforderung, desto kreativer müssen wir handeln: Wie sehen moderne Verkehrskonzepte aus, die auch die kleinen Gemeinden wie Jettingen mit den großen Städten und den Ballungsräumen verbinden? Wie produzieren wir erschwingliche Lebensmittel mit weniger Dünger? Wie können wir die Kreislaufwirtschaft stärken und der Plastikflasche und dem Joghurtbecher ein zweites oder gar drittes Leben verschaffen? Und wie können wir durch technische Neuerungen langfristig und nachhaltig noch viel mehr CO2 einsparen?
Ideologische Alleingänge, meine Damen und Herren, bringen uns in einer globalisierten Welt nicht weiter. Das ist meine feste Überzeugung. Wir müssen uns also an der Realität orientieren, an dem, was wirklich machbar ist. Und immer bedenken: wenn ich an einer Schraube drehe, an einer Stelle etwas verändere, was löse ich dann an anderer Stelle aus, welches Rad dreht sich dann vielleicht ganz anders, als ich es gedacht hatte und beabsichtigt hatte.
Bestes Beispiel ist, wie ich finde, die aktuelle Sorge um ein Insektensterben. Wir wollten nachwachsende Rohstoffe anbauen, um daraus regenerative Energie zu gewinnen. Jetzt haben wir überall Maisfelder und wundern uns, dass es dort keine Bienen mehr gibt. Klar ist für mich auch: Eine CO2 neutrale Wirtschaft lässt sich nicht einfach nur durch persönliche Achtsamkeit, allein durch Elektromobilität oder nur mehr Windkraftanlagen erreichen. Wir brauchen also langfristige Innovationen und keine Schnellschüsse, nur weil der Mainstream jetzt gerade und besonders freitags so ungeduldig ist. Denken wir an das geflügelte Wort von Henry Ford: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, dann hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“ Dass er das Automobil erfinden soll, hatte ihm damals niemand gesagt. Und genau dieser Erfindergeist ist eine Stärke der baden-württembergischen Unternehmer. Deswegen sollten wir jetzt nicht nur einseitig auf Elektromobilität setzen. Ich bin sicher: in wenigen Jahren würde uns eine neue junge Generation deren Umweltschädlichkeit vorhalten. Denken Sie an den Kobaltabbau durch Kinder im Kongo. Darüber gibt es ja jetzt schon den einen oder anderen Zeitungsartikel zu lesen. Wir müssen also über CO2 neutrale Kraftstoffe in alle Richtungen nachdenken und in deren Erforschung investieren, anstatt einseitig einem Trend zu folgen. Denn: Es gibt nicht die eine Patentlösung!
Meine Damen und Herren, typisch für jede Zeitenwende ist es, dass man sie mit zweierlei Blick sehen kann. Man kann voller Angst Verbote aussprechen, Stagnation predigen, Rückschritte fordern, Ideenlosigkeit pflegen. Oder man nimmt die Herausforderung mutig an und ergreift die Chancen mit Tatkraft und Innovationsfreude.
Und hier setzt unsere Politik an: Wir unterstützen Handwerksbetriebe darin, neue Wege in ein neues Zeitalter zu gehen. Mit der „Zukunftsoffensive Handwerk“ unterstützt das Wirtschaftsministerium von Frau Dr. Hoffmeister-Kraut die Handwerksbetriebe mit Millionenbeträgen, damit sie sich qualifizieren, digitalisieren und strategisch gut aufstellen können. Mit der „Mittelstandsoffensive Mobilität“ bekommen kleine und mittelständische Zulieferunternehmen der Automobilwirtschaft sog. „Innovationsgutscheine“, um in Forschung und Entwicklung zu investieren.
Uns ist es wichtig, dass kleine und mittlere Unternehmen den Zugang zum Wissensfundus unserer exzellenten Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Baden-Württemberg erhalten. Und was brauchen diese Unternehmen dann, um ihre Vision auch in die Tat umzusetzen? Sie brauchen gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte, sie brauchen Auszubildende.
Dafür haben wir die duale Ausbildung! Leider gehen auch im Kreis Böblingen die Zahlen zurück. Immer weniger junge Leute wählen die duale Berufsausbildung. Aber wir sind dieses Jahr nochmal mit einem blauen Auge davongekommen. Die IHK-Bezirkskammer Böblingen meldete Anfang des Monats 1.152 abgeschlossene Ausbildungsverträge, das sind 28 Verträge weniger als im Vorjahr. Mit Blick auf den aktuellen Trend in BW hätte der Rückgang deutlich stärker ausfallen können. Wir müssen für diese Ausbildungsform noch mehr Werbung machen. Deswegen werben wir in allen Schulen dafür und wir werben speziell auch für Technik und Naturwissenschaften.
Ich freue mich sehr, dass wir gerade vor wenigen Tagen durch eine Untersuchung des Maschinenbauverbandes bestätigt bekamen, dass nirgendwo in Deutschland das Thema Technik in den Bildungsplänen der Schulen einen höheren Stellenwert hat als in Baden-Württemberg.
Meine Damen und Herren,
Die kleinen und mittleren Unternehmen sind seit jeher prägend für Baden-Württemberg und für unsere Raumschaft. Sie stellen sich gerne neuen Herausforderungen und sind Meister darin, unbekannte Wege zu beschreiten. Ich bin sicher, diesen Unternehmergeist werden wir auch bei dem Rundgang über die Gewerbeschau am heutigen Sunday for Future wieder erleben.
Ich habe bereits den einen oder anderen interessanten Stand gesehen und freue mich auf den direkten Austausch mit Ihnen im Anschluss.