Preisträgerkonzert des Bruno-Frey-Musikpreises an der Landesakademie Ochsenhausen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich freue mich sehr, dass Sie mich heute als Vizepräsidentin des Landtags nach Ochsenhausen eingeladen haben und es ist mir eine Ehre, bei diesem schönen Konzert und der Bruno-Frey-Musikpreisverleihung dabei sein zu dürfen.

Wenn man eine Politikerin als Rednerin einlädt, kann man ja durchaus damit rechnen, dass sie über Politik spricht – auch wenn es eigentlich um so etwas Schönes wie Musik geht. Acht Wochen vor den Europawahlen darf ich an diesem weltoffenen Ort und vor solch kundigem Publikum sagen, dass uns im Landtag derzeit die Entwicklungen auf europäischer Ebene sehr beschäftigen und sehr zu denken geben.

Thomas Dörflinger und ich stehen gerade unter einem besonderen Eindruck: Wir kommen gerade von einer Fraktionsreise in den Donauraum zurück – Wien, Bratislava, Budapest. Wir haben dort auch den ungarischen Ministerpräsidenten Orban gehört und machen uns durchaus Sorgen, ob die europäische Idee, so wie wir sie kennen und pflegen, noch trägt. Dies natürlich auch vor den aktuellen Hintergrund der Ereignisse in Großbritannien, die ja ernst zu nehmende Auswirkungen auf Baden-Württemberg und unsere Wirtschaft haben.

Mir selber liegt die Europäische Union nicht nur als Politikerin sondern auch ganz persönlich sehr am Herzen. Denn: Wie so viele meiner Generation bin ich mit dem europäischen Gedanken, mit der Hoffnung auf die EU aufgewachsen. Mir ist sehr bewusst, dass die EU uns in den letzten 70 Jahren Sicherheit, Freiheit und Wohlstand gesichert hat und meiner Ansicht nach kann und soll sie auch in Zukunft Garant dafür sein, dass wir im Frieden leben können.

Hier in Ochsenhausen an diesem schönen Sonntag kommt es Ihnen vielleicht selbstverständlich vor, dass wir in Frieden leben, meine Damen und Herren.

Aber gerade Sie als Musikliebhaber kennen vielleicht diese kleine, bewegende Geschichte aus Sarajevo, aus der Zeit des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien, die auch Filmemacher und Schriftsteller inspiriert hat. Im Mai 1992 hat sich im damals von Serben belagerten Sarajevo Folgendes zugetragen:

Einen Tag, nachdem 22 Menschen, die vor einer Bäckerei in einer Schlange standen, von einer Granate zerfetzt wurden, erschien um 16.00 Uhr ein junger Mann im Frack am Tatort – vor der Bäckerei, über der er wohnte.

Er setzte sich auf die Straße, in der sich 24 Stunden zuvor das Massaker ereignet hatte, und begann, auf einem Hocker sitzend, inmitten der Geröllhalden auf seinem Cello zu spielen.

Er spielte nur ein einziges Stück, das Adagio in G-Dur von Albinoni. Er spielte es an 22 aufeinanderfolgenden Tagen, an jedem dieser Tage gedachte er damit eines der Opfer. Die Kugeln der Scharfschützen schlugen rechts und links von ihm ein – er spielte weiter. Die Menschen riefen ihm zu, er solle sein Leben retten und von der Straße verschwinden – er spielte weiter. Die Weltpresse begann sich für ihn zu interessieren, Fernsehteams kamen heran, alle fragten ihn, warum er das tue. Aber der junge Musiker spielte weiter, nicht für die Weltpresse, nicht für die Fernsehteams, sondern für die 22 Toten und für die Lebenden in Sarajevo.

So wird Vedran Smailovic, damals 36 Jahre alt, Cellist der städtischen Philharmonie, in 22 Tagen inmitten der Hoffnungslosigkeit in der zerstörten Stadt zu einem Symbol der Hoffnung und zu einer Gestalt des Friedens.

Musik, meine Damen und Herrn, kann nicht Frieden auf Erden schaffen, aber sie kann den Glauben an den Frieden zurückgegeben. Musik macht nicht satt – und doch hilft sie, dass Menschen überleben können. Sie schenkt das Gefühl: Da ist etwas Wunderbares außer und über unserem Erdenleben, da ist ein Sinn, den wir nicht anders fassen können als mit Tönen, als mit Musik. Musik ist eine Eintrittskarte in eine andere Welt.

Kein Wunder, dass sich viele Musiker als Medium für transzendente Klänge verstanden haben. Gustav Mahler nannte sich “ein Instrument, auf dem das Universum spielt”. Bach sagte, er spiele zwar die Noten, mache aber nicht selbst die Musik. Beethoven war überzeugt davon, “dass Musik höhere Offenbarung ist als alle Weisheit und Philosophie”.

Sie werden also verstehen, warum es mir eine besondere Freude ist, heute bei Ihnen sein zu dürfen, an einem Ort, wo die Musik gepflegt wird. Und wir haben ja eben schon eine wunderbare Kostprobe Ihrer Kunst hören dürfen. Baden-Württemberg hat, meine Damen und Herren, eine wunderschöne, bunte und blühende kulturelle Landschaft.

Diese Landschaft muss gehegt und gepflegt werden und wir müssen dafür sorgen, dass der Nachwuchs alle Möglichkeiten hat, um zu wachsen und zu gedeihen.

Dazu leistet der Bruno-Frey-Musik- Preis, einer der höchstdotierten Musikpreise Baden-Württembergs, einen bedeutenden Beitrag. Seit weit über 20 Jahren unterstützt die Bruno-Frey-Stiftung herausragende Nachwuchsmusiker und –Musikerinnen, genauso wie Chöre, kleinere Ensembles und Symphonieorchester.

Dass dieser Preis von einem Unternehmer hier aus dem Landkreis ins Leben gerufen wurde, scheint mir sehr typisch zu sein für Ihre Region, die so viel zu bieten hat:

– einen starken Mittelstand mit einem hochattraktiven Arbeitsplatzangebot,

– eine wunderschöne Natur mit vielen Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten und ein bewundernswertes bürgerschaftlichen Engagement, das sich gerne auch der Kunst widmet.

Unter den Preisträgern der vergangenen Jahrzehnte finden sich heute international bekannte Musikerinnen wie die Violinistin Tanja Becker-Bender oder die Pianistin Gesa Lücker. Und ich bin sicher, dass auch die Preisträger des Bruno-Frey-Musikpreises 2018 ihren Weg machen und wir in den nächsten Jahren noch viel von ihnen hören werden. Denn sie haben gezeigt, dass sie nicht nur die Technik auf ihren Instrumenten beherrschen, sondern die Musik, die sie spielen, und deren Bedeutung verinnerlicht haben.

Deswegen darf auch ich Ihnen allen meinen herzlichsten Glückwunsch aussprechen, dem Alma Mahler Kammerorchester, dem Klavierduo Shin Park, der Mezzosopranistin Esther Valentin und der Pianistin Anastasia Grishutina.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, uns aber wünsche ich viel Freude an Ihrer Musik, nicht nur heute Abend.

Mir ist es sehr wichtig, dass Kunst und Kultur in Baden-Württemberg nicht nur in den großen Städten stattfindet, sondern dass wir in allen Landesteilen, auch und gerade im ländlichen Raum, attraktive Angebote haben und wir wollen dies von Seiten der Politik ganz bewusst fördern.

Nächstes Jahr werden es dreißig Jahre sein, dass der damalige Ministerpräsident Lothar Späth die Landesakademie in den wunderschönen Räumlichkeiten dieses ehemaligen Benediktinerklosters offiziell in Betrieb genommen hat. Die Landesakademie hat damals musikalisches Neuland betreten – und ein wirtschaftliches Wagnis war es auch.

Dieses Neuland haben Sie, lieber Herr Dr. Weigele, mit Ihren Mitstreitern und Unterstützern, in einen sehr attraktiven Teil der baden-württembergischen Kulturlandschaft verwandelt, und auch vom damaligen Wagnis ist schon lange keine Rede mehr. Zu Recht wird die Landesakademie als Erfolgsmodell bezeichnet.

Deswegen freue ich mich sehr, dass die Landesakademie Ochsenhausen am neuen Impulsprogramm, das die Landesregierung auflegen will, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, beteiligt ist. Mit einer Workshop-Serie sollen Sie weiterhin und verstärkt die kulturellen Kompetenzen im Bereich der Musik, insbesondere im ländlichen Raum, stärken.

Wir Abgeordneten, gerade auch Thomas Dörflinger und ich, haben uns ganz ausdrücklich dafür stark gemacht, dass diese zusätzlichen Mittel auch nach Ochsenhausen fließen und wir werden das in den anstehenden Haushaltsberatungen auch vehement vertreten.

Denn wir sind fest davon überzeugt: Musik, Musikpädagogik, Kindern und Jugendlichen Musik zu vermitteln – das trägt extrem dazu bei,

– dass wir Begegnungsmöglichkeiten haben,

– dass wir Verständigungsmöglichkeiten haben,

– dass wir friedlich miteinander leben können,

und zwar sowohl innerhalb unseres eigenen Landes als auch über die Grenzen hinweg mit unseren Nachbarn.

Denn wir wissen ja alle: Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg.

Der fabelhafte Ruf, den sich die Landesakademie mit den Jahren erworben hat, gründet auf ihren vielfältigen, anspruchsvollen Seminaren mit pädagogischem Schwerpunkt, aber auch auf den hochkarätigen, international besetzten Meisterkursen. Allein die internationale Sommerakdademie mit ihren Meisterklassen Klavier, Orgel und Komposition ist eindrucksvolles Beispiel für die gute Zusammenarbeit über die nationalen Grenzen hinweg von Professoren und Professorinnen, Künstlern und Künstlerinnen aus Deutschland, Europa und den USA.

Zu Beginn Ihrer Fortbildungsarbeit lag ein starker Schwerpunkt im Orff-Instrumentarium. Das war in dieser Zeit, wie ich meine, sehr üblich und erinnert mich an meine eigenen frühmusikalischen Erfahrungen. Später haben Sie das Programm erweitert und es kamen dann der Jazz-, der Rock- und der Pop-Bereich dazu.

In meiner Jugend spielte die Musik von Carl Orff eine prägende Rolle. In der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, im nordhessischen Bad Hersfeld, waren die sommerlichen Freilichtfestspielen der dortigen Stiftsruine ein herausragendes, damals eigentlich das einzige namhafte kulturelle Ereignis, auf das man sich das ganze Jahr über freute.

Die Atmosphäre in dieser Stiftsruine, die auf eine Einsiedelei aus dem frühen 8. Jahrhundert zurückgeht und dann übrigens zu einem Benediktinerkloster – und hier schließt sich ein Kreis zu Ochsenhausen – ausgebaut wurde und heute als die größte romanische Kirchenruine der Welt gilt – also: Sie können sich sicherlich vorstellen, dass diese Atmosphäre, verbunden mit der Orff’schen Musik sehr stark auf mich als Kind gewirkt hat. Dort die Carmina Burana zu hören blieb mir daher für immer unvergesslich und gehört zu meinen schönsten Kindheitserinnerungen.

In Carl Orffs Carmina Burana heißt es so schön:

“Frühlings heiteres Gesicht schenkt der Welt sich wieder” – ich finde, das passt gut zum heutigen Tag. Seien wir also optimistisch, seien wir hoffnungsfroh! Ich sehe hier unter Ihnen viele heitere und erwartungsvolle Gesichter und ich glaube, wir freuen uns jetzt alle nochmals auf die musikalischen Darbietungen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!