Parlamentarischer Abend der Arbeitsgemeinschaft Baden-Württembergischer Bausparkassen

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Land der Häuslebauer ist eine Frage – zumindest auf den ersten Blick – vollkommen überflüssig: Warum baut der Mensch? Einer, der sich entschließt, ein Grundstück zu kaufen und sich darauf ein Haus zu errichten, zielt ganz praktisch auf die Lösung eines wohntechnischen Problems, möchte man meinen. Die Vorzüge des Wohneigentums liegen auf der Hand, das muss ich bei Ihnen ja nicht begründen.

Und doch ist da offensichtlich etwas an den eigenen vier Wänden, was über die Freude am Eigentum, über das Interesse an materieller Sicherheit hinausgeht. Was das sein könnte, hat vor rund 70 Jahren ein Politiker namens Carl Wirths beschrieben, von Beruf einerseits Bauunternehmer, andererseits war er Verleger, Herausgeber der Westdeutschen Rundschau, später MdB der FDP.

Bitte führen Sie sich, meine Damen und Herren, Deutschland im Jahr 1948 vor Augen: Das Land liegt in Schutt und Asche, die Städte gleichen Ruinen, das Grundgesetz, dessen 70. Jubiläum wir in diesem Jahr ja mit vielen Rückblicken gefeiert haben, war noch nicht verabschiedet.

Wer sich damals der Politik widmete, hatte eine Botschaft. Und Carl Wirths war entschlossen, den Westdeutschen nach den niederschmetternden Erfahrungen mit Nazi-Deutschland einen Weg zu einem neuen Staat und „zu einer echten Gemeinschaft zu zeigen“.

Entscheidend sei, so schrieb Wirths zuerst in Zeitungen, dann 1948 in einer eigenen Broschüre, „der grauenvollen Verneinung aller Dinge des öffentlichen und politischen Lebens“ zu entkommen. Das gelinge nicht mit „Parteiparolen“ und nicht einmal mit „politischen Idealen“. Vielmehr müsse den Menschen wieder ein Ziel gegeben werden, etwas „Praktisches und Sachliches“, und das sei nun mal „ein Dach über dem Kopf“. In dem ‚“Dach über dem Kopf“ sah er sozusagen das Fundament der künftigen Bundesrepublik.

Erst die Behausung mache den Menschen wirklich zum Bürger und Staatbürger. Also zum Bürger einer „Polis“ im antiken Sinn. Und das leuchtet ja auch heute noch ein: Erst müssen die eigenen Grundbedürfnisse: Nahrung und Wohnung befriedigt sein, damit ein Mensch den Kopf frei hat, um sich für das Gemeinwesen zu engagieren.

Carl Wirths wurde dann Abgeordneter des ersten Bundestags und das Gesetz, das ihm vorschwebte und das er anregte – „über das Eigentum an Wohnungen und gewerblichen Räumen“ trat 1951 in Kraft. So war dieser Unternehmer und Politiker die Stimme des deutschen Wiederaufbaus – gewiss nicht ganz uneigennützig, aber in den Folgen doch zum Wohle aller und nicht zuletzt der Bausparkassen.

Unsere heutige Situation ist mit der vor 70 Jahren überhaupt nicht zu vergleichen, aber auch heute stehen wir vor großen Herausforderungen. Sie, meine Damen und Herren von der Arbeitsgemeinschaft der Baden-Württembergischen Bausparkassen, haben den heutigen Abend unter die Frage gestellt, wohin sich die deutsche Wirtschaft und damit auch der Wohnungsbau entwickeln? Zunächst die erfreuliche Nachricht: Baden-Württemberg ist nach wie vor ein überaus attraktiver Standort für Arbeitskräfte. Ein Blick auf die Zahlen im Mai zeigt: auch wenn die Stimmung in der deutschen Wirtschaft getrübt ist, bleibt der Arbeitsmarkt in BW stabil. Wir haben eine anhaltend hohe Zahl an offenen Stellen (aktuell 111.000).

Leider haben wir nicht auch offene Wohnungen, sondern wir haben es mit einem eklatanten Mangel an Wohnraum zu tun. Das Angebot an Wohnimmobilien am Markt bleibt nach wie vor weit hinter der hohen Nachfrage zurück. Sie, die Bausparkassen, haben eine, wie ich finde, höchst interessante Studie zum Wohnraum in BW in Auftrag gegeben (veröffentlicht im Dezember 2018). Darin bestätigen Sie den Eindruck, den wir jeden Morgen bei der Lektüre unserer Lokalzeitungen erhalten: vier von fünf Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern weisen eine überdurchschnittlich positive Bevölkerungsentwicklung auf und sind gleichzeitig bei der Beschaffung von Wohnraum und in der Bautätigkeit nur unterdurchschnittlich erfolgreich. àIn den größeren Städten wird sich der Wohnungsmarkt also mehrheitlich tendenziell noch weiter anspannen.

Bei Klagen über Wohnraummangel nur an den Mietwohnungsbau zu denken, wäre natürlich zu kurz gegriffen. Wir müssen auch überlegen, ob und wie sich der Weg zum Wohneigentum erleichtern lässt. Denn: frei werdende Mietwohnungen führen zu einer Entlastung des Wohnungsmarkts. Deshalb ist es gut und richtig, dass die Bildung von Wohneigentum auch in der Landeswohnraumförderung Baden-Württemberg wieder einen hohen Stellenwert erhält.
Klar ist: Bund, Land, Kommunen müssen noch größere Anstrengungen unternehmen, um bezahlbare Wohnungen zu ermöglichen. Das funktioniert nur im engen Schulterschluss, denn es handelt sich um eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe und deshalb braucht es die Zusammenarbeit aller Partner, die am Wohnungsbau beteiligt sind. Deswegen wurde ja im Juli 2016 die Wohnraumallianz gegründet, damit alle beteiligten Interessengruppen gemeinsam an einem Strang ziehen.
Ich denke, wir sind alle sehr froh, dass jetzt der Kommunalfonds Wohnraumoffensive auf den Weg gebracht wurde. Sein Ziel ist es, schnell bezahlbaren Wohnraum zu schaffenmit Hilfe von drei Elementen: Einer neuen Förderlinie „Wohnungsbau BW – kommunal“, einem Grundstücksfonds und einem Kompetenzzentrum Wohnen.
Und morgen wird der Gesetzesentwurf zur Änderung der Landesbauordnung in den Landtag eingebracht.  Dadurch wird das Bauen vereinfacht, die Genehmigungsverfahren beschleunigt und die flächenschonenden Aufstockungen von bestehenden Gebäuden vereinfacht. Bereits noch vor der Sommerpause kann die neue LBO verabschiedet werden.

Baden-Württemberg setzt sich auch für eine Aktualisierung der Wohnungsbauprämie auf Bundesebene ein! Hier wünschen wir uns eine Anpassung der Prämie, sowie eine Anpassung der Einkommensgrenzen.

 Bauen und Sparen gehören bei uns in BW eng zusammen. Das betone ich als Abgeordnete aus Leonberg, wo einstmals die legendäre Leonberger Bausparkasse ihren Sitz hatte, natürlich besonders gerne. Auch wenn diese bekannte Marke heute nicht mehr existiert. Die Leonberger Bausparkasse wurde 1924 gegründet und ging aus dem Christlichen Notbund zur gegenseitigen Hilfehervor. 2001 fusionierte sie dann mit der Wüstenrot Bausparkasse, ebenfalls 1924 gegründet. Welche Bedeutung das Bausparen in unserem Ländle hat, zeigt übrigens auch, dass das Haus der Geschichte diesem Thema vor etlichen Jahren mal eine eigene Ausstellung gewidmet hatte. Der Titel lautete: „Zuteilungsreif – Bausparer-Geschichten aus dem Südwesten“
Heute jedoch stehen auch Sie, meine Damen und Herren, vor besonderen Herausforderungen, die ich Ihnen sicherlich nicht eigens erläutern muss. Aber klar ist: Wir haben es in Ihrem Fachbereich mit einer komplexen Gemengelage zu tun, die eine hohe politische Bedeutung und Brisanz hat.

Wir freuen uns daher sehr über Ihre Einladung heute Abend. Im Namen aller Abgeordneten darf ich Ihnen sehr herzlich dafür danken.

Auf Ihre Impulse und den Dialog mit Ihnen sind wir sehr gespannt. Ich wünsche uns allen einen schönen Abend in guter Stimmung!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!