Parlamentarischen Abend des Landesverbandes Deutscher Bühnenverein

Sehr geehrte Damen und Herren,

Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag danke ich Ihnen sehr herzlich für die Einladung heute Abend – ein Highlight unter den Parlamentarischen Abenden, wie ich finde. Wir haben ja eben schon die erste Kostprobe Ihrer Darbietungen erhalten. Damit können wir uns gedanklich zu unseren Theaterbesuchen zurückversetzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erinnern wir uns einfach mal daran!

Wir haben eine brillante Aufführung erlebt. Wir treten zurück in die kühle Abendluft. Vielleicht sehen wir wie hier draußen Lichter, die sich im Eckensee spiegeln. Wir genießen die andächtige Stille und hängen unseren Gedanken nach. Wir kommen vielleicht nur langsam aus dem  italienischen Verona des 16. Jahrhunderts zurück, wir haben mit Romeo und Julia gelitten, haben Faust einen Pakt mit dem Teufel schließen sehen. Wir haben uns an eine Wildente geklammert oder wir waren eingesperrt in Bernada Albas Haus.

Vielleicht wurden wir bestens unterhalten. Vielleicht zu Tränen gerührt. Vielleicht erschreckt und schockiert.

Meine Damen und Herren: Wahrscheinlich erwarten wir heute nicht mehr wie seinerzeit Aristoteles, dass wir durch das Theater geläutert und gereinigt werden. Aber zum Mitfühlen und Nachdenken lassen wir uns gerne anregen und erschließen uns dadurch ganz neue Dimensionen, andere Welten außerhalb unseres alltäglichen Lebens.

Wir genießen das Ambiente, die Atmosphäre, die Illusion, die Inspiration.

„Kunst ist ein Lebensmittel“ –  das war die feste Überzeugung von Hannes Rettich, dem bekannten Kunstkoordinator zu Lothar Späths Zeiten. Kunst gereicht uns vielleicht nicht zum täglich Brot, ist aber doch unverzichtbar.

Lassen Sie mich zu diesem Gedanken noch einen zweiten hinzufügen: Die Wirkung von Theater, Ballett und Musikdarbietungen wäre nicht möglich, wenn der Grundstein dafür nicht im wahrsten Sinne des Wortes hinter den Kulissen gelegt wird. Jemand hat ein Stück geschrieben. Es wurde neu interpretiert und inszeniert. Jemand hat das Bühnenbild entwickelt. Andere haben es aufgebaut. Jemand hat die Kostüme entworfen. Andere haben sie geschneidert. Jemand hat die Beleuchtung konzipiert. Jemand hat die Scheinwerfer ausgerichtet. Die Requisiten müssen verwaltet werden. Jemand hat die Aufführung beworben. Jemand hat die Tickets kontrolliert. Und jemand macht am Ende alles sauber.

Wenn wir Politiker Ihre Häuser besuchen, legen die Intendanten immer besonderen Wert darauf, uns umfassend zu informieren. Sie führen uns dann von den Katakomben im Keller bis hoch unters Dach. Deswegen wissen wir genau, dass es hinter dem Vorhang nicht immer glitzert und leuchtet.

Da muss man oft froh sein, wenn die Technik verlässlich funktioniert, wenn die Kulissen gut verräumt sind, wenn es in der Garderobe nicht zu eng und der Wasserdruck in der Dusche auskömmlich ist.  Wir sehen also vor wie hinter der Bühne gute Gründe, in unsere Bühnen zu investieren. Das gilt für die Staatstheater in Stuttgart und Karlsruhe genauso wie für die kommunalen Bühnen, die Landesbühnen und die zahlreichen privaten Theater im Land.

Und deswegen bin ich mir ganz sicher, dass wir auch für das Große Haus hier in Stuttgart eine gute Lösung finden werden, eine Lösung, die der herausragenden Qualität dieses Hauses gerecht wird, die zugleich aber auch Maß hält und die sich einpasst in den Gesamtkontext der Kulturförderung in Baden-Württemberg. Jedenfalls steht Theater bei unserer  Kulturförderung immer ganz oben. Das war so in der 1. Kunstkonzeption des Landes Baden-Württemberg, die 1990 von dem schon zitierten Hannes Rettich geschrieben wurde. Das setzt sich in der 2. Kunstkonzeption  aus dem Jahr 2010 – „Kultur 2020“ – fort, die Minister Peter Frankenberg auf den Weg gebracht hatte. Und wenn Sie heute auf der Homepage des Ministeriums nach den Kunstsparten schauen, finden Sie an erster Stelle auch wieder die Theater. Das hat mit ihrer  langen Tradition und ihrer Bedeutung zu tun. Das mag auch daran liegen, dass das Land sich seine Theater besonders viel Geld kosten lässt.  Aber auch die Kommunen, die bei uns in Baden-Württemberg ja die Hälfte der Kulturförderung übernehmen, bemühen sich sehr um ihre Theater. Ich begrüße das sehr ganz außerordentlich! Denn: Wir brauchen dieses Miteinander von Land und Kommunen!

Ein Parl. Abend, meine Damen und Herren, muss natürlich immer in der Nähe des Landtags und damit in Stuttgart stattfinden. Deswegen laden Sie uns heute zum wiederholten Mal hier in den Malsaal der Württembergischen Staatstheater ein und geben uns einen wunderbaren Eindruck von der Kreativität, die in Ihren Häusern herrscht.

Die Veranstaltung in einer anderen Stadt durchzuführen, ist organisatorisch leider kaum  möglich. Wir sollten gleichwohl im Blick behalten: Kunst und Kultur müssen überall im Land erlebbar sein: Nicht nur in größeren Städten und Ballungszentren, sondern auch in den ländlichen Regionen.    Ich habe selber die Erfahrung gemacht, wie schön es ist, eine Bühne in erreichbarer Nähe des eigenen Wohnorts zu haben, auch, wenn man nicht in der Metropolregion Stuttgart lebt: In Konstanz, in Freiburg, in Karlsruhe, in Ulm, um nur einige Orte zu nennen, wo ich eindrückliche Theaterabende erleben durfte.

Deswegen haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten ja auch alle gemeinsam so stark dafür gemacht, die Landesbühnen zu erhalten, das Amateurtheater und das Theater in den  Schulen auszubauen, Theatertage und Festivals zu unterstützen u.v.m.

Denn uns ist allen klar: Ohne Breite keine Spitze. Deswegen müssen wir mit Hilfe der kulturellen Bildung unsere Jugend für Theater, Tanz und Orchester begeistern. Deswegen bieten wir attraktive Ausbildungsmöglichkeiten an: Ein Beispiel ist die John Cranko-Schule.   Sie gehört weltweit zu den renommiertesten Ballettschulen. In dieser Spielzeit 2019/2020 wird nun endlich der Neubau der Schule eröffnet. Dann  haben wir wirklich beste Bedingungen für Nachwuchsspitzentänzer aus aller Welt, die quasi in Sichtweite zur großen Oper ausgebildet werden.

Meine Damen und Herren, ich finde, es ist ein großes Glück, dass wir in unserem Land eine so beeindruckend vielfältige und qualitativ auch in der Breite hochwertige Theaterlandschaft haben und dass die Theater bei uns immer „ganz oben“ stehen, wie ich vorhin erläuterte. Das ist nicht selbstverständlich! Wir haben uns am vergangenen Wochenende, am 9. November, an den Mauerfall vor 30 Jahren erinnert. Und Sie vom Bühnenverein wissen wahrscheinlich besser als ich, was die Theater in den einzelnen Bundesländern teilweise durchgemacht haben an Fusionen, Schließungen und Schrumpfungen und wie man mancherorts auch heute noch um den Bestand zu kämpfen hat.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass es uns gelingt, die blühende Theaterlandschaft in Baden-Württemberg zu erhalten und weiter zu entwickeln. Aus Liebe zum Theater, aber mit Augenmaß und mit Kompromissbereitschaft und am besten, indem wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen.

Vielen Dank!