Parlamentarischen Abend des Landesfischereiverbands

Sehr geehrte Damen und Herren,

lassen Sie mich mein Grußwort mit einer kleinen Fischgeschichte beginnen – die hat mir kürzlich jemand erzählt und sie stammt wohl von dem amerikanischen Schriftsteller David Foster Wallace. Sie geht so: »Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch, der in die Gegenrichtung unterwegs ist. Er nickt ihnen freundlich zu und sagt: „Guten Morgen, Jungs. Wie geht’s? Wie ist das Wasser?“ Die zwei jungen Fische schwimmen stumm eine Weile weiter, und schließlich schaut der eine den anderen an und sagt: „Was zum Teufel ist Wasser?“

Auf den ersten Blick ist die Aussage dieser kleinen Fischgeschichte, dass die Tatsachen, die ganz offensichtlich und selbstverständlich, ganz normal und alltäglich sind, oft diejenigen sind, die am schwersten zu erkennen und zu diskutieren sind, auch wenn sie ganz und gar wichtig sind. Für die beiden jungen Fische ist ihr Leben im Wasser so selbstverständlich, dass sie das Wasser gar nicht bemerken. Sie bewegen sich im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Fisch im Wasser. Auf den zweiten Blick hat die Geschichte aber noch eine andere Pointe.

Nämlich die: Für den älteren Fisch ist das Leben im Wasser keineswegs mehr selbstverständlich, zumindest nicht in klarem, sauberem Wasser, und deshalb fragt er: „Wie ist das Wasser?“

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren,

ist die Frage, die heutzutage nicht nur ältere Fische bewegt, sondern jeden, dem die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen – und dazu gehört entscheidend die Sauberkeit unserer Flüsse und Seen – am Herzen liegt. Ganz besonders aber bewegt diese Frage Sie, natürlich Sie, die Mitglieder des Landesfischereiverbandes Baden-Württemberg. Wir können feststellen, dass unsere fließenden Gewässer in der Vergangenheit immer besserer und sauberer wurden – nicht zuletzt durch politische Initiativen. Das geht ja sogar so weit, dass sich auch das Verhältnis Räuber und Beute gewandelt hat. Ich weiß, dass Ihnen hier besonders der Kormoran zu schaffen macht.

Als Ihr Verband vor zwei Jahren sein 125-jähriges Bestehen feierte, stellte er seinem Jubiläumsbuch aus gutem Grund das Motto voran: „125 Jahre Landesfischereiverband – mehr als nur Fische fangen!“ Tatsächlich vertritt Ihr Verband nicht nur die Interessen von annähernd 800 Fischereivereinen mit mehr als 70 000 Mitgliedern, er ist auch ein engagierter Anwalt des Lebensraums Wasser.

Mit Ihrem Engagement für saubere und ökologisch intakte Gewässer leisten Sie einen ganz wesentlichen Beitrag zum Schutz von Flora und Fauna und Habitaten und damit zugleich zum Schutz unserer Lebensgrundlagen, zur Bewahrung der Schöpfung. Ihr Verband ist deshalb ein anerkannter Naturschutzverband, und die verdiente Anerkennung zeigt sich nicht zuletzt in der Zahl der Mitglieder und in dem regen Verbandsleben.

Zu Recht wird ja immer wieder der schwindende Zusammenhalt der Gesellschaft beklagt. Umso wichtiger finde ich Ihre Arbeit und die ehrenamtliche Zusammenarbeit von Ihnen allen. Besonders möchte ich Ihre vorbildliche Jugendarbeit hervorheben. Das ist mehr als nur Nachwuchsförderung. Die exzellente Arbeit Ihrer Jugendgruppen führt Kinder und Jugendliche an die Natur heran, sie fördert das Verständnis für die Schutzbedürftigkeit unserer Umwelt und die Achtung der Tiere, getreu Ihrem Jubiläumsmotto: „Mehr als nur Fische fangen!“ Damit kann man gar nicht früh genug beginnen.

Der Landesfischereiverband Baden-Württemberg fordert deshalb wie ich finde aus gutem Grund, Kindern schon früh an die Angelfischerei heranzuführen und es ihnen zu ermöglichen, den Jugendfischereischein nicht erst – wie bisher – ab dem  zehnten, sondern bereits ab dem siebten Lebensjahr zu erhalten. Jeder von uns weiß, wie wichtig das Naturerlebnis für Kinder ist und wie intensiv in diesem Alter die Erfahrung der Natur. Aber jeder von uns weiß auch, dass diese Erfahrung in einer durchtechnisierten Gesellschaft immer seltener möglich ist.

Und wir wissen ja auch aus anderen Verbänden, besonders aus dem Sport und im Bereich der Musik, dass man früh anfangen muss, unsere Jüngsten für sich zu gewinnen, denn das Angebot für Kinder und Jugendliche ist heutzutage sehr umfangreich.

Wenn sich die Kids erst einmal für ein anderes Hobby entschieden haben, kann man sie nur schwer später noch gewinnen. Also getreu dem Motto „Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will“  müssen auch Sie Ihren Nachwuchs schon in jungen Jahren rekrutieren. Die Einbindung in einen Verein halte ich auch deswegen für ganz wichtig für Kinder, weil das Vereinsleben fördert den Zusammenhalt und die Gemeinschaft.

Ich sehe auch kein Problem darin, kleine Kinder schon früh mit dem Naturkreislauf vertraut zu machen und dazu gehört nun mal das Leben und Sterben, das Fressen und das Gefressenwerden. Ich habe bei unseren eigenen drei Kindern erlebt, dass man sie damit – behutsam und kindgerecht – durchaus früh und selbstverständlich vertraut machen kann.

Aber kommen wir zurück zu unsere kleinen Geschichte: Die Selbstverständlichkeit, mit der sich die beiden jungen Fische da durchs Wasser bewegten, gehört leider unwiderruflich der Vergangenheit an. Weder die Sauberkeit der Luft – da führen wir ja gerade ganz heftige politische Debatten – noch  die Sauberkeit der Gewässer verstehen sich von selbst. Aber es wäre schon viel, wenn die jungen Fische von heute auf die Frage „Wie ist das Wasser?“ auch morgen antworten können: „Danke, ausgezeichnet.“ Wenn die Fische das können, dann haben sie und dann haben wir alle das auch Ihrer vorbildlichen Arbeit im Landesfischereiverband zu verdanken. Ich freue mich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen heute Abend noch mehr von Ihrem Tätigkeitfeld zu erfahren.

Vielen Dank.