Kreisbauerntag in Ehningen

Sehr geehrten Damen und Herren,

Ein altes Sprichwort sagt: „Bauernstand ist Ehrenstand, erhält die Stadt, erhält das Land“. Ich finde, meine Damen und Herren, die Bedeutung der Landwirtschaft für unsere Gesellschaft kann man kaum treffender beschreiben.

Gerade hier im Kreis Böblingen, in Baden-Württemberg, wie auch bei Ihnen in Bayern, sehr geehrter Herr Mayerhofer, ist die Landwirtschaft nicht nur eine Lebensgrundlage, sondern auch Berufung. Ich weiß, mit viel Leidenschaft Sie alle Ihre Höfe führen, egal, ob Sie hauptberuflich oder im Nebenerwerb Landwirtschaft betreiben! Und deshalb haben wir auch eine so große und wertvolle Vielfalt an Betrieben, in ihrer Ausrichtung wie mit ihren Produkten.

Sie laden mich ja immer mal wieder ein, Ihre Betriebe zu besuchen und so habe ich einen kleinen Einblick von Ihrem Berufsleben, aber auch davon, wie Sie Ihre Familien organisieren und ich weiß, dass sich da jeder ganz individuell ausrichtet. Ob Ferkelzucht oder Pferdehaltung, Milchwirtschaft oder Weidewirtschaft, ob die Ehefrau auf dem Hof mitarbeitet oder einem anderen Beruf nachgeht, ob die Kinder die Nachfolge anstreben oder ganz eigene Wege gehen wollen: Die Landwirtschaft ist so vielfältig wie das Leben insgesamt. Jeder hat seine eigenen Probleme aber Sie haben auch gemeinsame Anliegen und Herausforderungen. In jedem Fall, und davon bin ich fest überzeugt, tragen Sie zur Versorgung unseres Landes mit Lebensmitteln bei, die ohne Zweifel von höchster Qualität sind.

Viele Menschen wissen das zu schätzen, kaufen gerne regionale Produkte ein und erzählen begeistert, dass sie ihr Fleisch, ihr Gemüse, Nudeln und Linsen  im nächstgelegenen Hofladen kaufen. Aber Tatsache ist: Die Erzeugerpreise sinken. Und das sogar dann, wenn die Ladenpreise steigen. Das macht Ihnen zu schaffen und das ist tatsächlich nicht fair. Wir in der Politik versuchen intensiv, Ihnen die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen für Ihre Wirtschaftsweise, aber Sie wissen selber: Wir haben es leider nicht mehr einfach mit einem regionalen Markt zu tun, sondern Sie stehen durchaus im weltweiten Wettbewerb.

Diesen weltweiten Wettbewerb wollen wir ja, der ist existentiell für Baden-Württemberg – den können und wollen wir nicht wieder abschaffen. Das wissen diejenigen von Ihnen, die auch noch in anderen Branchen berufstätig sind, selber ganz genau. Und im Moment sehe ich keine einzige Partei im politischen Spektrum, die diesen gordischen Knoten durchschlagen und alle Probleme lösen könnte, so dass jede landwirtschaftliche und fachliche Ausrichtung zu hundert Prozent zufrieden wäre.

Aber ich finde, meine Damen und Herren, alle Landwirte in Baden-Württemberg haben, unabhängig von der Ausrichtung und Größe ihres Betriebs, drei ganz wesentliche Dinge verdient:

Erstens: vorbehaltlosen Respekt und ehrliches Vertrauen!

Zweitens: faire Bezahlung!

Und drittens: bestmögliche politische Unterstützung!

Denn wir brauchen Sie alle, meine Damen und Herren. Wie schon eingangs gesagt: „Bauernstand ist Ehrenstand, erhält die Stadt, erhält das Land“. Ich meine jeder Hof soll sich individuell weiterentwickeln können und Sie selber sollen wie andere Unternehmer auch selbständig die Weichen stellen dürfen. Und deshalb müssen wir uns gemeinsam gegen diejenigen wehren, die meinen, ideologische Widersprüche aufbauen zu müssen zwischen

  • Landwirtschaft einerseits und Naturschutz andererseits
  • Zwischen High-Tech und Nachhaltigkeit
  • Zwischen Moderner Landwirtschaft und guten Produkten.

Der technologische Fortschritt bringt eindeutige Vorteile für die Landwirtschaft. Nirgends wird mehr so gearbeitet, wie noch vor 50 Jahren. Ich finde, das ist ein Glück. Es ist wirklich nicht einfach alles besser,  was früher war. Landwirtschaft früher war harte Knochenarbeit und ich habe nie die Bauern beneidet, die bei Wind und Wetter mit einer einzelnen Hacke auf einem weiten Feld standen und mühsam schuften, um dem Boden ein paar Früchte abzuringen. Und der technologische Fortschritt geht weiter und er bietet wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Verfahren, die hilfreich sind für Mensch und Natur.

Sie haben, lieber Herr Kindler, ja mit Herrn Mayerhofer heute jemanden eingeladen, der von guten Beispielen für solche  Verfahren berichten wird. Im Kern geht es für Sie doch darum, dass auch Sie als Familienbetriebe, meine Damen und Herren, die Chance haben, genug Geld zu erwirtschaften, damit beides möglich ist:

  • Einerseits zeitgemäße, stabile Einkommen
  • und andererseits Geld, um in moderne Ausstattung und Verfahren investieren zu können.

Sie haben mich, lieber Herr Kindler, heute als Vizepräsidentin des Landtags dazu eingeladen, ein Grußwort bei Ihnen zu sprechen. Als Vizepräsidentin des Landtags habe ich Übung darin, alle Fraktionen, alle Parteien, alle frei gewählten Volksvertreter ernst zu nehmen und zu respektieren. Diese Aufgabe liegt mir persönlich sehr, denn mir ist immer der Kompromiss wichtig. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir viele Herausforderungen nur gemeinsam bewältigen werden, nicht gegeneinander und im Streit.

Deswegen:

Wir müssen im Gespräch bleiben,

in gegenseitigem Respekt,

und wir müssen Anfeindungen vermeiden.

Was Sie manchmal als Landwirte an Anfeindungen erleben, finde ich unerträglich. Tierwohl, Antibiotika, Gewässerschutz, Biodiversität, Ausgleichsflächen, Ökopunkte – die Diskussionen über all diese Themen dürfen nicht so geführt werden, als wären Sie, meine Damen und Herren, diejenigen, die unsere Landschaft ausbeuten und zerstören! Für mich persönlich ist klar: Schützen durch Nützen ist weiterhin der beste Weg für Mensch und Natur.

Andererseits pflegen ja viele von Ihnen, das weiß ich aus eigener Erfahrung, nicht unbedingt immer die leisen Töne und Sie können ganz schön auf den Putz hauen. Aber ohne gegenseitiges Verständnis, ohne Wertschätzung und Respekt ist kein Staat zu machen, meine Damen und Herren. Und klar ist auch: Niemand hat etwas davon, wenn Sie hinschmeißen, wenn Landwirte ihre Höfe aufgeben und das Land brach liegen lassen. Wenn Sie kapitulieren, dann schadet das Baden-Württemberg ökonomisch und ökologisch. Deswegen: Lassen Sie sich nicht entmutigen, machen Sie weiter, piesacken Sie uns Politiker, wenn es sein muss, mit Ihren Anliegen. Denn Landwirte und Politiker müssen an einem Strang ziehen, damit Sie sich als moderne, verantwortungsbewusste Unternehmer bewähren können.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!