Jahrestreffen des Konsularischen Korps 2019

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie sehr herzlich hier im Landtag von Baden-Württemberg. Es freut mich sehr, dass Sie während Ihres Jahrestreffens hier in Stuttgart auch uns als  Volksvertretung  einen Besuch abstatten.

Sie kommen in ein erst kürzlich vollständig renoviertes Haus. Erst seit dieser Legislaturperiode können wir wieder hier tagen. In den Jahren zuvor  waren wir ausgelagert und haben unsere Sitzungen im nahe gelegenen Kunstgebäude abgehalten. Jetzt freuen wir uns über unseren Plenarsaal mit Tageslicht durch das neue Kuppeldacht und Glaswänden, die uns einen Blick nach draußen ermöglichen. Umgekehrt können uns die Besucher direkt bei der Arbeit beobachten. Diese Transparenz passt sehr gut zu den modernen Anforderungen der Demokratie. Ganz neu ist das hiesige Bürger- und Medienzentrum. Es wurde bewusst halbwegs in den Boden versenkt, damit oberirdisch optisch so wenig wie möglich verändert wurde. Wir können nun noch mehr Besuchern Zutritt gewähren. Rund 40.000 Bürgerinnen und Bürger kommen jährlich in den Landtag, um sich zu informieren. Schön, dass auch Sie heute zu unseren Gästen zählen.

Als Repräsentanten Ihrer Entsendeländer sind Sie Mittler zwischen den Nationen und immer wichtige Ansprechpartner für uns Politiker, für die Wirtschaft und für unsere Kultureinrichtungen. Helmut Schmidt hat die große Bedeutung der Pflege internationaler Kontakte einmal so beschrieben: „Heutzutage ist es das Wichtigste, zu lernen, wie man andere Völker versteht. Und zwar nicht nur deren Musik, sondern auch ihre Philosophie, ihre Haltung, ihr Verhalten. Nur dann können sich die Nationen untereinander verstehen.“

Wenn ich mir das Programm Ihrer Tagung anschaue, dann finde ich, dass es Ihrem Auftrag und Ihrem Wirken sehr gut Rechnung trägt:

  • Sie haben gestern mit Min. Guido Wolf, also mit einem Regierungsvertreter zu Abend gegessen
  • Sie besuchen heute uns als Volksvertretung, also die Legislative
  • Sie führen heute Nachmittag Workshops mit Wirtschaftsunternehmen durch
  • und Sie haben ein wunderbares kulturelles Programm zusammengestellt: Staatsoper, Kabarett im Renitenztheater und zum Abschluss eine Führung durch die Staatsgalerie. Schauen Sie dort am Eingang auf die „Liegende“ von Henry Moore – sie lag früher vor dem Landtag.

Ein Bundesland hat natürlich keine außenpolitische Kompetenz, schon gar nicht der Landtag. Aber alleine die Größe unserer Volkswirtschaft ist vergleichbar mit anderen europäischen Ländern wie Schweden, Belgien oder Österreich. Auch deshalb pflegen wir gerne und intensiv viele internationale Kontakte, die wir nicht zuletzt  unserer starken Wirtschaft zu verdanken haben. Baden-Württemberg weist als drittgrößtes Bundesland in Deutschland das höchste Exportvolumen aus. Unsere wichtigsten Handelspartner sind die Vereinigten Staaten (12,4%), China (7,8%) und Frankreich (7,6%). Aktuell arbeitet ungefähr jeder dritte Beschäftigte in Baden-Württemberg direkt oder indirekt für den Export. Und diese Menschen sind  nicht nur in großen Konzernen beschäftigt. Nein: Baden-Württemberg ist bekannt für seinen gesunden Mittelstand. Wir stehen an dritter Stelle unter allen Bundesländern hinsichtlich der sogenannten Top-Mittelstandsunternehmen. Einige unter Ihnen gehören ja auch dazu. Unser Mittelstand ist sehr erfolgreich, aber er steht auch großen Herausforderungen mit vielen Unbekannten gegenüber.

Wir kennen Sie alle: Die Energiewende, die Digitalisierung und die Globalisierung – um nur die Größten zu nennen. Für unseren Mittelstand passende Rahmenbedingungen zu schaffen, sehen wir in der Politik als wichtige Aufgabe an. Und dazu gehört es eben auch, international gute Kontakte zu pflegen. Ich freue mich, dass wir uns dabei auf Sie stützen können!

Sie verstehen sich als moderne Repräsentanten Ihrer Entsendeländer und tragen durch Ihr Ehrenamt dazu bei, Brücken zu bauen und Verständnis für die unterschiedlichen Mentalitäten, Kulturen und Sichtweisen aufzubauen. Ihr Ehrenkodex macht Sie zu besonders geschätzten und vertrauenswürdigen Partnern. Als Grenzland zu Frankreich und der Schweiz ist uns natürlich an einer guten Nachbarschaft mit diesen Ländern besonders gelegen. Aber auch die Donauraum-Strategie ist ein zentraler Baustein unserer Politik auf allen Ebenen. Die letzte Informationsfahrt meiner Fraktion ging beispielsweise entlang der Donau nach Wien, Budapest und Bratislava. Die Donau entspringt bei uns im Schwarzwald und sie endet im Schwarzen Meer – ein Strom unendlicher Möglichkeiten für die Menschen dieser Regionen – 111 Millionen Bürgerinnen und Bürger leben und arbeiten entlang des Flusses.

Ich selber habe meine Jugend im Hessischen Zonenrandgebiet verbracht, bin sozusagen im Schatten der Mauer aufgewachsen, die Deutschland geteilt hat. Ich weiß, wie sich das Leben anfühlt, wenn man vor der eigenen Haustür eine unüberwindbare Grenze hat, wenn man nichts vom Leben der Menschen auf der anderen Seite weiß, wenn sich nicht einmal Verwandte besuchen dürfen. Und ich habe sehr genau beobachtet, wie gerade diese Region sich entwickelt hat nach dem Fall der Mauer vor genau 30 Jahren. Umso mehr bedaure ich es, dass diese offene Welt, die doch eigentlich so viele Chancen bietet, heute bei vielen Menschen Unsicherheit und Ängste auslöst.

Unser Minister Guido Wolf sprach gestern bei Ihrem Treffen in Hohenheim die Herausforderungen an, vor denen die Europäische Union derzeit steht. Denn auch hier werden Ängste, Abwehr und Abschottung deutlich. Ich bin fest davon überzeugt: Für ein gutes Miteinander in Europa und der Welt  braucht es auch und vielleicht ganz besonders langfristige zwischenmenschliche Begegnungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Die weltweite Pflanzaktion von Bäumen als Maßnahme gegen den Klimawandel, die Sie bei uns in Baden-Württemberg begonnen haben, kann vielleicht ein Beitrag zu solchen Begegnungen sein.  Das persönliche Gespräch und das gemeinsam Tun sind oft effektiver als jeder Schriftwechsel und jedes offizielle Programm. Denn, wie es Helmut Schmidt sagte, um Länder miteinander zu verbinden, ist es wichtig, die Menschen und ihre Besonderheiten zu kennen und dadurch Mittler zwischen den Kulturen zu sein. Dazu tragen Sie ganz maßgeblich bei und deswegen bewundere ich Ihr Engagement ganz außerordentlich.

Ihr Ehrenamt benötigt sicherlich viel Zeit und Aufwand, viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl, wahrscheinlich auch eigenen finanziellen Einsatz und dazu umfassende Fachkenntnisse und die Bereitschaft, sich immer wieder auf Neues einzulassen. Kurz gesagt: Es braucht Leidenschaft im doppelten Sinne.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verbringen Sie hier in Stuttgart eine fruchtbringende Zeit des Austausches und der gegenseitigen Inspiration.

Für Ihre weitere Tätigkeit wünsche ich Ihnen eine allseits glückliche Hand.