Grußwort beim Kreisverband der Obst- und Gartenbauvereine Böblingen e.V. am 02. März 2024 in Weil der Stadt
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
gestern habe ich in der Leonberger Kreiszeitung von Ihrer Saftverkostung gelesen. Schon zum 13. Mal findet dieses Jahr eine Apfelsaftprämierung im Landkreis statt – eine wunderschöne Idee.
Es tut mir total leid, dass ich dieses Mal nicht dabei sein konnte. Umso mehr freue ich mich, heute hier bei Ihnen sein zu können.
Wir sind alle schon gespannt auf die Gewinner und die Preisverleihung, die ja gleich stattfindet.
Von politischer Seite möchte ich Ihnen gerne nochmals sagen, wie sehr wir Ihren Einsatz schätzen und wie sehr mir auch ganz persönlich die Arbeit der Obst- Garten- und Weinbauverbände am Herzen liegt.
Sie kennen alle unser gemeinsames Ziel, die Biodiversität zu stärken. Dazu wird viel Papier beschrieben, es gibt runde Tische, Symposien, wissenschaftliche Arbeiten u.v.m.
Ich selber habe eine Tagung geleitet, da ging es darum, wie wichtig die Streuobstwiesen für unsere seelische und körperliche Gesundheit sind und ob man das auch wissenschaftlich fundiert nachweisen kann.
Ich glaube, meine Damen und Herren, Sie alle, die Sie Ihre Gärten bepflanzen und Ihre Wiesen bewirtschaften, Sie brauchen dafür keine wissenschaftliche Untersuchung.
Sie spüren das am eigenen Leib.
Und Sie sehen zu jeder Jahreszeit, was sich in Ihrem Garten, auf Terrasse und Balkon, auf Ihrem Gütle und Stückle so alles tummelt, wie es summt und brummt, wächst und gedeiht.
Bei Ihnen geht es um gelebte Biodiversität, um ein harmonisches Miteinander von Mensch und Natur, um achtsame Pflege und liebevolle Betrachtung.
Unsere Gemeinden und Ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger wären um vieles ärmer, gäbe es die Mitglieder der Obst- und Gartenbauvereine nicht.
Ich kenne bereits Gemeinden, die einen Preis ausschreiben für den insektenfreundlichsten Garten.
Ich durfte dort schon einmal in der Jury mitlaufen und habe ganz wunderbare und überaus unterschiedliche Gärten gerade auch in Wohngebieten kennen gelernt. Danach habe ich meinen eigenen Garten nochmal mit ganz anderen Augen betrachtet.
Lassen Sie mich noch einmal auf das Streuobst zurückkommen, das ja bei uns im Kreis Böblingen eine große Rolle spielt.
Das Streuobst ist der Landesregierung wirklich sehr wichtig. Dazu findet sich sogar eine Passage im Koalitionsvertrag zwischen den Grünen und der CDU. Was wichtig ist, ist natürlich immer auch heiß umstritten und es gibt sehr unterschiedliche Meinungen dazu.
Wir im Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum haben sogar ein eigenes Referat, das sich Ihren Themen widmet, meine Damen und Herren, also dem Obst- und Gartenbau und dem Streuobst.
Wir haben natürlich viele Ideen, wie wir dazu beitragen können, dass unsere herrlichen Streuobstlandschaften in Baden-Württemberg erhalten bleibt.
Aber die Arbeit darin muss sich ja natürlich irgendwie für die Leute, die damit ganz praktisch zu tun haben, auch lohnen.
Es muss Freude machen, zu schneiden und zu pflegen, zwischen den Reihen zu mähen und das Mähgut auch sinnvoll verwenden zu können, zu ernten und zu verwerten.
Wenn es so viel öffentliche Aufmerksamkeit gibt für einen Bereich, dann gibt es oftmals auch viele Vorschriften, Bürokratie, Beschwernisse und dann macht es manchmal keinen Spaß mehr, sich um eine solche Wiese zu kümmern.
Wie viele unterschiedliche Interessen oftmals aufeinander stoßen, haben wir jetzt wieder erlebt, als es um die Einführung eines Qualitätszeichens für Streuobst ging.
Ein Qualitätszeichen für ein Nahrungsmittel kann dazu beitragen, dass man es besonders gut vermarkten kann.
Nach langen Abstimmungsgesprächen, runden Tischen und Kompromissen sind wir jetzt so weit, dass man dieses Qualitätszeichen Streuobst zur Ernte in diesem Jahres nutzen kann. Wir haben versucht, es so unbürokratisch wie möglich zu halten.
Lassen Sie mich nur ein Beispiel für den langwierigen Abstimmungsprozess geben. Es ging darum, ob in einem Saft aus Streuobst, der mit dem Qualitätszeichen Baden-Württemberg vermarktet wird, 100 % Streuobst verarbeitet werden müssen oder ob auch Saft aus anderen Früchten mit dabei sein darf. Man hat sich jetzt darauf geeinigt, dass 85 % Streuobst enthalten sein müssen. Bis zu 15 % Saft z.B. aus Plantagenobst darf beigemischt werden. Das kann für die geschmackliche Abrundung wichtig sein.
Denn der Geschmack der Verbraucherinnen und Konsumenten ist heute einfach anders als früher, als es nichts Anderes gab als Streuobst, das manchmal durchaus etwas herb sein kann. Man will die Säfte ja auch verkaufen und da kommt man mit der „reinen Lehre“ oder mit dem reinen Saft aus Streuobst manchmal nicht weit, wenn der Saft zu räß schmeckt.
Also: Nach langem Verhandeln gilt:
15 % Beimischung zur geschmacklichen Abrundung ist erlaubt beim Qualitätszeichen Streuobst für den Saft.
Das Qualitätszeichen des Landes, gibt es schon länger für verschiedene andere Produkte, z.B. für Mehl oder für Fleisch, und ab diesem Jahr dann auch für Produkte aus Streuobst und für Streuobstsaft.
Man kann es beantragen als Nachweis für eine besonders gute Qualität, man muss nachweisen, dass das Lebensmittel aus regionalen Zutaten besteht, es gibt Vorschriften für Düngung, Pflanzenschutz oder ggfs. auch für Tierhaltung u.a.m.
Bei der Entwicklung des Qualitätszeichens für Streuobst waren viele Akteure, z.B. Streuobstinitiativen und Fruchtsafthersteller eng eingebunden und nun wollen wir auch versuchen, mit einer Informationskampagne dafür zu werben, vermehrt zu den heimischen Streuobstprodukten zu greifen und damit auch die Arbeit der Streuobstbewirtschafter zu würdigen.
Ich denke, meine Damen und Herren, das ist ganz praktischer Umweltschutz nach dem Motto „Schützen durch Nützen“ und damit haben wir sozusagen verschiedene Fliegen mit einer Klappe geschlagen und wir dienen gleichzeitig der Natur und den Menschen.
Ich kann Sie also nur ermutigen: Bleiben Sie dran an Ihrem Hobby, bleiben Sie dran an Ihrem Ehrenamt und lassen Sie sich als Streuobstbewirtschafter auch auf Neues ein, z.B. auf unser neues Qualitätszeichen Baden-Württemberg für Saft und andere Produkte aus Streuobst.