Einweihung der neuen Ortsmitte Nufringen

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Auf der Einladung zu der heutigen Einweihungsfeier Ihrer neuen Ortsmitte findet sich das Logo der Gemeinde Nufringen, ergänzt um einen Schriftzug „Zuhause ist: Nufringen“. Das hat mich veranlasst, über „Zuhause“ bzw. über Heimat nachzudenken.

Ich weiß nicht, wer von Ihnen das große Filmepos „Heimat“ von Edgar Reitz  kennt.

Das ist ein eindrucksvolles Kunstwerk, in dem die Geschichte des 20. Jahrhunderts am Beispiel eines Dorfes  im Hunsrück erzählt wird. Schabbach ist ein erfundener Name. Die Geschichte könnte in jedem anderen kleinen Ort spielen, auch hier in Nufringen. Mitte der 1980er Jahre wurde dieser mehrteilige Film als Serie im Fernsehen ausgestrahlt.  Ich habe damals versucht, möglichst keine Sendung zu verpassen. Mein Mann hat sich zu Weihnachten die Kassette dieses Films gewünscht und seither haben wir uns einige Folgen nochmal angesehen. Gerade in der jüngsten Ausgabe der ZEIT wird wieder über diesen großartigen Film geschrieben.

Bei uns in Baden-Württemberg ist der Begriff „Heimat“ nie verschwunden. Wir in der Politik wissen, was wir an unseren Gemeinden haben, gerade an den kleinen, und das Land hat seine Städte und Gemeinden auch immer finanziell ordentlich ausgestattet, sodass sie selbständig agieren können. Das ist nicht in allen Bundesländern so geregelt. Aber wir in Baden-Württemberg legen großen Wert darauf.

Es gibt bei uns ganz genau 1001 Gemeinden und diese 1001 Gemeinden bieten für rund 11 Mio. Menschen eine Heimat. Hier in Nufringen für rund 5800 Einwohner. Dass wir so viele Gemeinden haben, hängt mit der deutschen Geschichte zusammen, mit unserer Kleinstaaterei, mit unserem Föderalismus. In anderen Sprachen gibt es das Wort „Heimat“ nicht. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, dass ein Franzose, der in einem Vorort von Paris in einem Hochhaus wohnt, diesen Vorort als seine Heimat bezeichnen würde.

Sie hier in Nufringen würden sich sicherlich nie als Vorort von Stuttgart bezeichnen, obwohl Sie in der Region Stuttgart wohnen, die ein ähnliches Ausmaß hat wie die Metropole Paris. Sie würden vielleicht sagen, dass Sie in der Nähe von Herrenberg leben und dass der Schwarzwald nicht weit weg ist. Aber Sie sind eine ganz selbständige und selbstbewusste Gemeinde.

Was macht denn  Heimat eigentlich aus, meine Damen und Herren? Ich glaube, für viele Menschen ist Heimat in erster Linie ein Gefühl. Ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und der inneren Verbundenheit mit einem Ort und besonders mit den Menschen, die dort leben. Heimat ist ein Teil unserer eigenen Identität – sie gehört zu uns, sie macht uns aus und sie bewirkt, dass wir nicht alleine sind, sondern mit anderen Menschen in Verbindung stehen. So ein Heimatgefühl ist die Voraussetzung für einen starken gesellschaftlichen Zusammenhalt

Und dieser gesellschaftliche Zusammenhalt ist die Grundlage unseres funktionierenden Staatswesens, für unsere Demokratie. Nur wenn dieser Zusammenhalt vorhanden ist, sind Menschen bereit, Verantwortung zu übernehmen. Z.B. für ihre Nachbarn oder für ihre Umwelt , im Gemeinderat, im Sozialdienst, in der Kirche, bei der Feuerwehr oder bei einer anderen Organisation.

Deswegen danke ich sehr herzlich allen, die sich jetzt wieder bereit erklärt haben, für die Gemeinderatswahlen zu kandidieren. Sie leisten damit einen ganz wesentlichen Beitrag für Ihre Gemeinde, für Ihre Heimat.

„Wir sichern uns die Heimat […] durch die Art, wie wir leben“. Das hat im 19. Jahrhundert ein Schriftsteller namens Georg von Oertzen (1829-1910) gesagt, ein preußischer Diplomat, der viel in der Welt herumreiste und auch eine Weile in Tübingen und Heidelberg lebte. „Wir sichern uns die Heimat durch die Art, wie wir leben“ – Das heißt für mich, Heimat ist das, was wir aus ihr machen.

Wir sehen hier in Nufringen, wie das gelingen kann. Sie alle, meine Damen und  Herren, machen Nufringen zu einer liebenswürdigen kleinen Gemeinde, mit vielen Vereinen, mit einem ansehnlichen Einzelhandel und rührigen Gewerbetreibenden, mit denen Sie heute gemeinsam feiern, mit zahlreichen kulturellen und geselligen Veranstaltungen, so dass man auch seine Freizeit gerne hier verbringt.

Und nun haben Sie auch diese wunderschöne  neue Ortsmitte, die zum Verweilen einlädt und Begegnungen ermöglicht. Die neue Ortsmitte hat ja eine lange Vorgeschichte. Ihre frühere Bürgermeisterin Ulrike Binninger  hat das Vorhaben von langer Hand geplant, beherzt angepackt und mit Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit professionell begleitet. Und Sie, lieber Herr Welte, haben dies gerne und gut fortgesetzt.

Die Erwartungen der Menschen an Ihre Heimat haben sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv verändert. Auch die Anforderungen der Kunden haben sich in Zeiten der Mobilität stark verändert: man ist schnell bereit, mal woanders hinzufahren, um dort einzukaufen oder seine Freizeit zu verbringen. Eine kleine Ortschaft wie Nufringen muss sich also anstrengen, um im Wettbewerb attraktiv zu bleiben, um die Einwohner im Ort und beisammen zu halten. Im Rahmen der Zukunftsoffensive Nufringen 2025 und der Bürgerumfrage (2012) konnten Sie alle, meine Damen und Herren, Ihre Wünsche und Erwartungen in die Planungen einfließen lassen.

Da gab es auch kritische Stimmen,  sorgenvolle Befürchtungen und lebhafte Auseinandersetzungen:  Der Einzelhandel hatte während der langen Bauzeit schwere Umsatzeinbußen zu verkraften. Sie haben heftig debattiert über die Begrenzung der Fahrgeschwindigkeit durch den Ort: 30 km/h oder 20 km/h. Das ist aber ganz typisch für ein funktionierendes Gemeinwesen und insgesamt für unsere Demokratie: Wir sind auf Kompromiss angewiesen, wenn wir verträglich zusammenleben wollen. Das sage ich ganz bewusst in diesen Zeiten, in denen es in der Politik oft sehr konträr und zugespitzt zugeht.

Aber das Ergebnis hier in Nufringen zeigt: Es kommt etwas Gutes dabei heraus, wenn Verwaltung und Bürger gemeinsam Ideen entwickeln und Konzepte beraten und wenn alle Seiten kompromissbereit sind. Das investierte Geld ist also bestens angelegt! Ich habe mich sehr gefreut, dass Ihr Projekt in das Landessanierungsprogramm aufgenommen wurde und dass Nufringen auf diese Weise mit beachtlichen Fördermitteln des Landes rechnen konnte. Mit dem Landessanierungsprogramm unterstützt das Land kontinuierlich die städtebauliche Weiterentwicklung der Kommunen in Baden-Württemberg. 2018 hat das Land rund 245 Mio. Euro in die Städtebauförderung investiert. Davon sind 5 Mio. Euro in den Kreis Böblingen geflossen.

Wir Landtagsabgeordneten achten bei der Haushaltsaufstellung immer besonders darauf, dass dieser Fördertopf gut gefüllt ist. Denn jeder einzelne Euro aus der Städtebauförderung löst Folgeinvestitionen von bis zu acht Euro aus. Das schafft zusätzliche Aufträge für die Bauwirtschaft und das Handwerk  – wenn es gut läuft, können die Aufträge in der eigenen Region vergeben werden. Denn das Geldverdienen und die Steuereinnahmen sind ja auch sehr wichtig und stärken wiederum die Heimat der Menschen.

Aber heute wollen wir nicht so sehr vom Geld reden sondern einfach schön feiern. Nach solch einer langen Bauphase (22 Monate) mit all ihren Beschwerlichkeiten darf man sich auch einfach mal freuen und ein schönes Fest feiern.

Ich wünsche der Gemeinde Nufringen und Ihnen allen für die Zukunft alles Gute und viel Freude mit ihrer neuen Ortsmitte!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.