Bezirksarbeitskreis „Lebendige Gemeinde“
Sehr geehrte Damen und Herren,
„Papa, ich brauch Dich nicht mehr!“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Satz von unserer etwa 5 jährigen Tochter ist meinem Mann und mir unvergesslich in Erinnerung. Er wurde quer über einen kleinen Skiübungshang gerufen, vom Tellerlift aus. Unsere Tochter war total stolz, dass sie alleine auf diesem kleinen Lift den Hang hinauf fahren konnte.
„Papa, ich brauch Dich nicht mehr“.
Kann dieser Satz Eltern freuen? Ja, auf jeden Fall. Denn er zeigt: wir haben unserem Kind etwas beigebracht, das es ganz eng mit uns verbunden hat, und nun ist es stolz, dass es die Aufgabe – in diesem Fall: Das Skiliftfahren – selber bewältigen kann. Wenn das kein Bildungserfolg ist, meine Damen und Herren!
Ich benötige als Mutter von drei heute erwachsenen Kindern keine aufwändigen wissenschaftlichen Studien, um zu wissen, dass Bildung und Bindung zusammenhängen, dass Bildungsfähigkeit Bindungsfähigkeit voraussetzt. Ich denke, viele von Ihnen haben ähnliche Erfahrungen gemacht.
Meine Damen und Herren, was ist gute Bildung? Diese Frage beschäftigt die Menschen schon seit jeher. Und gerade vor zwei Jahren bei dem großen Lutherjubiläum haben wir uns intensiv damit beschäftigt, denn nicht zu Unrecht wird die Reformation auch als große Bildungsbewegung verstanden.
Du, lieber Karl-Wilhelm Röhm hast dich damit auch beruflich befasst: als Lehrer und Schulleiter, zuletzt am Gymnasium in Münsingen und politisch al Vorsitzender des Arbeitskreises Kultus, Jugend und Sport der CDU-Landtagsfraktion. Da bist du sozusagen mein Chef, denn ich bin, seitdem ich 2006 in den Landtag gewählt wurde, auch in diesem Fachbereich engagiert.
Und Sie, liebe Frau Sachs, sind als Pfarrerin eigentlich tagtäglich mit Bildungsaufgaben beschäftigt, denn die Kirche ist doch eigentlich die Bildungsanstalt par excellence. Ich schätze die Bildungsarbeit unserer evangelischen Kirchen sehr und damit meine ich vieles, besonders auch die Angebote, die Sie Kindern und Jugendlichen machen – sozusagen als außerschulischer Bildungsort.
Also: Worum geht es uns bei guter Bildung? Zum Einen geht es darum, was der Mensch als Individuum können und wissen muss, welche Fertigkeiten er braucht, um ein selbstbestimmtes und gelingendes Leben führen zu können. Und zum Zweiten geht es um die Frage, wie die Menschen gemeinschaftlich handeln müssen, um die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft in der Gesellschaft, im Staat und in der Wirtschaft bewältigen zu können. Wir haben es also ganz grundsätzlich mit einem doppelten Bildungsauftrag zu tun.
Die Antworten auf diese Fragen ändern sich natürlich mit der Zeit. Heute wird ein Mensch für das Leben anderes Rüstzeug brauchen, als noch vor 100 oder 50 oder 15 Jahren.Unabhängig davon gibt es aber seit langem Normen und Grundsätze, die wir als wichtige Grundlage von Bildung ansehen.
Deswegen halte ich persönlich das humanistische Bildungsideal weiterhin für aktuell. Sie erinnern sich: Es geht auf den Sprachphilosophen und Bildungspolitiker Wilhelm von Humboldt zurück, der 1767 – 1835 lebte. Danach soll Bildung in erster Linie am Individuum und seiner ganz eigenen Persönlichkeit ansetzen. Das mag uns heute vielleicht selbstverständlich vorkommen. Aber damals war die Forderung, dass der allgemeine Schulunterricht zuallererst auf den Menschen selbst abzielen soll, und zwar unabhängig von seiner Herkunft, seinem sozialen Stand oder seinem Geschlecht, durchaus fortschrittlich.
Von Humboldt formulierte es zu seiner Zeit folgendermaßen: “Der wahre Zweck des Menschen … ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen.” Etwas moderner drückte es der Philologe Werner Jaeger aus. Er interpretierte dieses humanistische Bildungsideal in den 50er Jahren als die “Bildung des Menschen zum Menschen”. Und auch hier muss man den historischen Kontext berücksichtigen: Die Zeit des Nationalsozialismus und der zweite Weltkrieg waren noch sehr frisch in Erinnerung. Die Bildung des Menschen zum Menschen – das schließt die Persönlichkeitsentwicklung und die Wertebildung jedes Einzelnen genauso ein wie seine Orientierung in der Gemeinschaft.
Für uns in der CDU bedeutet das, dass wir uns leiten lassen vom christlichen Menschenbild. Das haben wir nicht gepachtet. Auch andere Parteien sehen das oft so, aber sie sprechen es nicht explizit so aus. Aber ich darf für mich und meine Kollegen sagen: In unserer Bildungspolitik steht der Mensch als Ebenbild Gottes mit seinen individuellen Fähigkeiten und Potenzialen im Mittelpunkt. Einfach der Mensch als solcher, unabhängig von seiner Herkunft, seinem Geschlecht oder sozialem Stand. Nach unserem Verständnis hat Bildung nicht nur mit Kompetenzen zu tun, die man ökonomisch nutzen kann. Employability nennt man das in anderen Ländern. Aber uns geht es eben nicht nur um die Ausbildung für den Arbeitsmarkt. Sondern es geht auch um die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und um die Wertebildung.
Die beiden wichtigsten Ziele von Bildung und Erziehung, darüber ist sich die sozial-, verhaltens- und biowissenschaftliche Forschung einig, sind:
Erstens: Autonomie, das heißt Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung.
Und zweitens: Verbundenheit, das heißt Bindung und Zugehörigkeit.
Und wir wissen ja ganz genau: Kaum etwas prägt die Entwicklung eines Menschen mehr, als seine ersten Lebensjahre. Sie sind die lernintensivste Zeit des Lebens.Verschiedene wissenschaftliche Bildungsstudien wie der IQB-Bildungstrend oder die IGLU-Studie haben es uns ja auch ganz deutlich gezeigt: Für einen erfolgreichen Bildungsweg wird der Grundstein schon in der frühen Kindheit gelegt.
Der Qualität der frühkindlichen Bildung kommt daher eine ganz entscheidende Rolle zu, und die, meine Damen und Herren, beginnt im Elternhaus.
Die Familie ist der zentrale Ort, an dem die Kinder aufwachsen. Und ich bin persönlich wirklich felsenfest davon überzeugt: Wenn Familien funktionieren, sind sie der allerbeste Ort, an dem Kinder aufwachsen können.
Entsprechend hoch sind natürlich die Erwartungen an Familien – die Erwartungen, die innerhalb der Familien aufgebaut werden wie auch die Erwartungen, die die Öffentlichkeit, die Politik, der Staat an Familien stellt. Und Eltern selbst wollen ja, dass ihre Kinder gut und glücklich aufwachsen können. Und sie wollen ihren Kindern die besten Bildungschancen für eine gute Zukunft ermöglichen.
Manchmal nimmt das übertriebene Züge an und tut den Kindern nicht unbedingt gut – wenn wir an die Diskussionen um die Grundschulempfehlung denken und die Frage, auf welche weiterführenden Schulen Kinder geschickt werden sollen. Manchmal gelingt es Eltern nicht, wirklich von ihrem Kind her zu denken, sondern sie sind gefangen in eigenen Interessen und Zielvorstellungen. Aber im Idealfall orientieren sich Eltern wirklich am Kind.
Gute Bildung für alle Kinder zu ermöglichen, heißt deshalb, die Familien zu unterstützen und ihre Kompetenzen zu stärken. Dafür haben wir in Baden-Württemberg zahlreiche Angebote entwickelt, wie das wellcome-Netzwerk, das praktische Hilfe für Familien nach der Geburt anbietet. Und auch in den rund 50 Familien- und Mütterzentren im Land gibt es Beratung und Unterstützung. Familien zu stärken heißt auch, sie finanziell zu stärken da, wo es notwendig ist. Dazu haben wir das Elterngeld, Elterngeld Plus oder auch das relativ neue Baukindergeld.
Meine Damen und Herren, vielleicht haben Sie sich auch schon die Frage gestellt: „Wie kann ich Kind und Karriere vereinbaren?“ Diese Frage stellen sich besonders Frauen, die nach der Familienphase wieder in den Beruf zurückkehren wollen. Für Frauen ist heute die eigene Berufstätigkeit genauso selbstverständlich wie für Männer. Und andersherum haben auch die Väter heute ein neues Selbstverständnis. Sie wollen gleichermaßen Zeit mit ihren Kindern verbringen, sie betreuen und erziehen. Wir können gerade bei jungen Paaren beobachten, dass sie auch als Eltern gleichberechtigt leben wollen. Ich persönlich finde diese Entwicklung gut und freue mich, dass auch immer mehr Väter Elternzeit in Anspruch nehmen.
Schon mein Vater sagte, die Erziehung von Kindern sei viel zu wichtig, als dass man sie den Frauen alleine überlassen könnte. Ich fand diesen Spruch als Jugendliche immer ein bisschen ironisch, aber heute verstehe ich ihn anders und gebe ihm völlig recht. Dass Kinder Väter brauchen, wissen wir ja mittlerweile aus vielen Untersuchungen.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf können Familien nicht alleine bewerkstelligen. Nicht jeder hat das Glück, dass Oma und Opa gleich um die Ecke wohnen. Die Gesellschaft und der Staat müssen mitwirken. Es werden uns in der Politik damit große Aufgaben gestellt. Und auch die Wirtschaft muss reagieren. Gut ist, dass Familienfreundlichkeit schon heute für viele Unternehmen eine wichtige Auszeichnung und ein Wettbewerbsvorteil im Kampf um die besten Fachkräfte geworden ist. Flexible Arbeitszeiten oder Home Office – diese Angebote sind mittlerweile sehr üblich geworden.
Die Grundvoraussetzung dafür, dass Mütter und Väter arbeiten gehen können, ist in erster Linie eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung außer Haus. An diese Kinderbetreuung dürfen und müssen Eltern aber hohe Ansprüche stellen. Das erleben Sie in Ihren kirchlichen Kitas ja auch und sie versuchen, dem Rechnung zu tragen. Ich freue mich sehr, dass die Kirchen sich dieser Aufgabe der frühkindlichen Bildung so engagiert annehmen. Knapp 30 Prozent aller U3-Jährigen werden in BW in einer KiTa oder in der Kindertagespflege betreut – mit steigender Tendenz. Und bei den 3- bis 6-jährigen liegt die Betreuungsquote bei rund 96 Prozent.
Ihre Kirchengemeinde betreibt hier ja auch selbst einen Kindergarten in Bernloch. Sie wissen also nur zu gut, wovon ich spreche.
Aus meiner Sicht geht es bei Kitas nicht einfach nur darum, dass die Kinder einen Kitaplatz haben,
dass sie untergebracht sind, dass sie irgendwie betreut werden, während die Eltern zum Arbeiten gehen. Natürlich war es wichtig, dass wir so viele Kitaplätze geschaffen haben – ein Kraftakt,
für den ich alle – die Kommunen, die Kirchen, die freien Träger – wirklich bewundere und der auch noch lange nicht abgeschlossen ist.
Aber: wir setzen in Baden-Württemberg bei der frühkindlichen Bildung und Betreuung auch klar auf Qualität. Denn eine ernsthafte und hochwertige Förderung der Kinder in diesen frühen Jahren ist die Basis für erfolgreiche Bildungsbiografien.
Mit dem Pakt für gute Bildung und Betreuung, der jetzt zum neuen Kindergartenjahr gestartet ist, setzen wir gemeinsam mit den Kommunen bei der Qualität an. In den nächsten fünf Jahren wird das Land Baden-Württemberg dafür jährlich bis zu 80 Mio. Euro in die Hand nehmen.
Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich halte, und da bin ich mir mit Karl-Wilhelm Röhm ganz einig, die Qualität der Kinderbetreuung für vorrangig vor der Gebührenfreiheit. Durch Beitragsfreiheit würden weder mehr Plätze geschaffen noch würde die Betreuung verbessert.
Qualität im Kinderbetreuung bedeutet natürlich auch genügend Personal für die Kinderbetreuung. Zwar haben die Kitas in Baden-Württemberg eine überdurchschnittlich gute Personalausstattung, das bescheinigt uns das aktuelle Ländermonitoring der Bertelsmann-Stiftung.
Bei uns betreut eine Fachkraft im Schnitt
- 7 Kindergartenkinder (Ü3) oder
- 3 Krippenkinder (U3)
Allerdings gibt es erstens große regionale Unterschiede und zweitens ist nichts so gut, dass es nicht noch verbessert werden kann. Aber: Auch bei uns fehlen derzeit Fachkräfte. Das muss ich Ihnen in der Gemeinde Hohenstein nicht sagen – auch bei Ihnen sind die Kindergartenplätze knapp. Der Grund dafür ist eigentlich ein Anlass zur Freude: in den letzten Jahren kamen überdurchschnittlich viele Kinder zur Welt, besonders hier in Meidelstetten und auch in Eglingen. Aber für mehr Kinder braucht es eben auch mehr Betreuerinnen.
Eine ganz zentrale Maßnahme im Pakt für gute Bildung und Betreuung, den ich vorhin angesprochen habe, ist deshalb eine groß angelegte Ausbildungsoffensive. Sie wissen ja, dass man seit einiger Zeit Erzieher oder Erzieherin nicht nur auf eine Schule sondern auch mit einer dualen Ausbildung lernen kann. Dieses sog. PIA-Modell wollen wir noch breiter verankern und fördern daher mit dem Pakt für gute Bildung und Betreuung zusätzlich 1.000 Ausbildungsplätze.
Und wir sind davon überzeugt, dass wir der Kita-Leitung noch größere Aufmerksamkeit schenken müssen. Für die Qualität der Einrichtungen sind sie ein Dreh- und Angelpunkt: sie managen die Kita,
sie führen das Personal, sie entscheiden über Fördermaßnahmen und sie verwalten das Budget.
Diese vielfältigen und verantwortungsvollen Aufgaben lassen sich heutzutage nicht nebenher bewältigen – so in der Bastelecke zwischen Taschentuch und Vesperdose. Mit den Mitteln aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes steigt Baden-Württemberg deshalb erstmals in die Leitungszeit ein (erst 10 Stunden und ab 2021 12 Stunden pro Woche).
Die sprachliche und elementare Förderung von Kindern ist ein weiterer Schwerpunkt des Pakts. Denn Sprachkompetenz und Ausdrucksvermögen sind grundlegend für den Bildungserfolg aller Kinder. Kinder unterscheiden sich in ihrer sprachlichen, motorischen und sozialen Entwicklung. Als Beispiel: rund 30 Prozent der Kinder in den Kitas haben einen sprachlichen Förderbedarf. Deswegen soll jetzt auch die Einschulungsuntersuchung weiterentwickelt werden. So können die Kinder in ihrer Entwicklung früh und gezielt unterstützt werden.
Denn jedes Kind hat ein Recht auf Bildung und Förderung. Das gilt natürlich auch in der Schule. Unser baden-württembergisches Schulsystem ist darauf ausgelegt, den unterschiedlichen Stärken und Bedürfnissen der über 1,1 Mio. Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden, die bei uns eine allgemein bildende Schule besuchen. Wir in Baden-Württemberg setzen seit jeher auf verschiedene Schularten und unterschiedliche Schulabschlüsse. Wir haben zahlreiche allgemein bildende und berufliche Schulen, die vielfältige Bildungswege eröffnen.
Dabei setzten wir überall auf eine Unterrichtskultur, die den Kindern und Jugendlichen Wissen vermittelt, aber gleichzeitig auch Verantwortungsbewusstsein, soziales Miteinander und Toleranz fördert.
Den Kindern und Jugendlichen in den Schulen Werte zu vermitteln, ist eine zentrale Aufgabe des Landes.
In Artikel 12 unserer Landesverfassung heißt es
- Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen.
Das heißt, die christlichen Werte dürfen und müssen in unseren Schulen eine gewichtige Rolle spielen. Es liegt in ihrem Erziehungsauftrag, das Wertebewusstsein der Schülerinnen und Schüler zu stützen und zu fördern. Das heißt im Übrigen auch, dass Lehrer nicht „neutral“ zu sein haben, wie die AfD gerne behauptet. Nein: Lehrer sind auf die freiheitliche Grundordnung verpflichtet, darauf leisten Sie ja auch ihren Amtseid.
Uns Bildungspolitikern, lieber Karl-Wilhelm Röhm, liegt das Thema christliche Werte in der Bildungspolitik natürlich besonders am Herzen. Unabhängig von der Schulart ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler schon früh ein eigenes gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein entwickeln und dass sie für demokratische Werte sensibilisiert werden.
Ich begrüße daher sehr, dass unsere Kultusministerin Susanne Eisenmann den Ethikunterricht ausweitet, und zwar an allen allgemein bildenden weiterführenden Schulen. Seit diesem Schuljahr wird Ethik schon ab Klasse 7 angeboten (vorher: Gymnasium ab Klasse 7; aber HS, WRS, GMS erst ab Klasse 8). In den kommenden beiden Jahren folgen dann die Klassenstufen 6 und 5. Und für den Ethikunterricht an Grundschulen ist bereits eine Konzeption in Arbeit. Sie wissen, wie wichtig uns der konfessionsgebundene Religionsunterricht ist und dass wir daran unbedingt festhalten wollen. Deswegen unternehmen wir ja diese immensen Anstrengungen, um den Islam-Unterricht an den Schulen anbieten zu können.
Aber Tatsache ist auch: Immer mehr Schülerinnen und Schüler haben keine kirchliche Bindung mehr. An den Realschulen und Gemeinschaftsschulen nehmen knapp ein Drittel Kinder nicht am Religionsunterricht teil. An den Gymnasien ist es knapp ein Viertel und an den Werkreal-/Hauptschulen sogar mehr als die Hälfte der Jugendlichen. Aber auch sie brauchen einen Ort, an dem sie diskutieren und philosophieren können und mit Fragen zu Gut und Böse, über Verantwortung und Moral konfrontiert werden. Deshalb ist Ethikunterricht ganz zentral für die Werteerziehung der jungen Generation. Neben der Ausweitung des Ethikunterrichts haben wir auch die Demokratiebildung im Blick. Dazu gibt es jetzt den verbindlichen Leitfaden Demokratiebildung für die allgemein bildenden und beruflichen Schulen. Ziel ist es, junge Menschen für die Demokratie zu begeistern und Ihnen unsere Verfassungsprinzipien für ein freies und gerechtes Zusammenleben näherzubringen.
Aber auch bei den Schulen gilt: sie können nicht alleine die Verantwortung tragen für eine gute Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen. Ich komme deshalb nochmal auf den Artikel 12 unserer Landesverfassung zurück, in dem es weiter heißt:
- Verantwortliche Träger der Erziehung sind in ihren Bereichen die Eltern, der Staat, die Religionsgemeinschaften, die Gemeinden und die in ihren Bünden gegliederte Jugend.
Deshalb, liebe Eltern, mein Appell an Sie: Schicken Sie Ihre Kinder nicht einfach nur in die Schule. Geben Sie sie nicht einfach nur in die Obhut dieser staatlichen Behörde ab, sondern machen Sie weiterhin von Ihrem Recht – und von Ihrer Pflicht – Gebrauch, an der schulischen Erziehung mitzuwirken. Nicht ohne Grund sieht unser Schulgesetz vor, dass Bildung und Erziehung in einer Erziehungspartnerschaft zwischen den Eltern und den Schulen zu gestalten sind.
Wenn wir jetzt die erschreckenden Ergebnisse der jüngsten IQB-Bildungsstudie zur Grundschule zur Kenntnis nehmen müssen und nach Verbesserungen suchen, dürfen wir meiner Ansicht nach die Eltern nicht außen vorlassen. Sie müssen auch dazu beitragen, dass die Kinder bildungsfähig und bildungswillig in der Schule ankommen und sie zu Hause nach Kräften unterstützen.
Dazu kann auch gehören, dass sie ihren Kindern neben der Schule zusätzliche Bildungsangebote machen, selber mal mit ihnen ins Theater gehen, ihnen das Schwimmen – oder gar das Skifahren – beibringen oder die Mitwirkung in einem Verein ermöglichen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Kinder hier besonders viel für´s Leben lernen. Meine älteste Tochter hat meiner Ansicht nach in den Jahren ihrer Mitarbeit im Ev. Jugendwerk in Leonberg extrem viel gelernt, was ihr später im Leben an vielen Stellen zu Gute kam.
Und unsere Ulla – die frühe Skifahrerin – hat sich auch als Studentin in der Kirchengemeinde engagiert und dort auf Konfifreizeiten zurück gegeben, was sie selber als Jugendliche erfahren hat – ich bin ganz begeistert von den Möglichkeiten, Erfahrungen und Lebenshilfen, die die Kirche meinen Kindern geboten hat. Hier in Meidelstetten gibt es ja auch tolle Angebote, wie den Jugendkreis, verschiedene Kinder- und Jugendgruppen oder das Jugendcafé.
Liebe Frau Pfarrerin Sachs, lieber Karl-Wilhelm Röhm, ich weiß, dass Ihnen die verlässliche Förderung der Jugendarbeit auch ganz besonders am Herzen liegt – so steht es ja auch in ihren Positionen zur Wahl der Landessynode.
Ich weiß, dass dies alles auch finanziert werden muss und dass das angesichts der aktuellen Entwicklungen nicht immer selbstverständlich und leicht gelingt. Auch Sie hier im Kirchenbezirk Bad-Urach-Münsingen haben ja mit rückläufigen Zahlen der Gemeindemitglieder zu kämpfen und dieser Trend wird sich leider fortsetzen. Aber wir alle, die wir hier versammelt sind, sind sicherlich felsenfest davon überzeugt, dass es wichtig ist, dass wir Eltern und Familien stärken und dass wir die Weitergabe unserer christlichen Werte unterstützen. Staat und Politik sind darauf angewiesen, dass es Orte gibt, die um bleibende Werte ringen. Und die damit das menschliche und gesellschaftliche Zusammenleben prägen. Die Kirchen spielen meiner Ansicht nach dabei eine ganz maßgebliche Rolle.
Ich danke Ihnen sehr herzlich dafür, dass Sie diese Rolle so engagiert ausfüllen!
Und ich danke Ihnen ebenso herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.