Aktuelle Stunde zum Gute-Kita-Gesetz

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Kaum etwas prägt die Entwicklung eines Menschen mehr als die ersten Lebensjahre. “Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr”: Diese Binsenweisheit gilt heute in abgewandelter Weise eigentlich immer noch. Also: “Auf den Anfang kommt es an”. Schön, liebe SPD, dass Sie für die von Ihnen beantragte Aktuelle Debatte einen Slogan der CDU auswählen. Ich freue mich immer, wenn wir uns hier im Hause einig sind. 

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) 

Verschiedene wissenschaftliche Bildungsstudien haben uns ja auch ganz deutlich gezeigt: Für einen erfolgreichen Bildungsweg wird der Grundstein schon in der frühen Kindheit gelegt. Der Qualität der frühkindlichen Bildung kommt daher eine ganz entscheidende Rolle zu. Und, meine Damen und Herren – das sei hier auch noch einmal erwähnt –: Das beginnt im Elternhaus. Der CDU, meine Damen und Herren, geht es also nicht einfach nur darum, dass die Kinder einen Kitaplatz haben, dass sie untergebracht sind, dass sie irgendwie betreut werden, während die Eltern zur Arbeit gehen. Natürlich war es wichtig, dass so viele Kitaplätze geschaffen wurden. Das war ein Kraftakt, für den ich die Kommunen sehr bewundere. Wir haben das auch schon vor 2011 angestrengt und sind immer noch dabei. Das ist noch nicht abgeschlossen. Aber jetzt dürfen wir uns nicht nur auf die Quantität, sondern müssen uns auch auf die Qualität konzentrieren. 

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen) 

Seien Sie ehrlich, Herr Stoch: Sie haben sich in der Vergangenheit auf die Quantität, auf den Ausbau der Plätze konzentriert, Sie mussten es; volles Verständnis. Es ging nicht anders. Aber jetzt geht es eben nicht nur um die Betreuung, sondern ganz wesentlich auch um Bildung und Erziehung. Und das ist eine wichtige Aufgabe, bei der uns jetzt der Bund unter die Arme greift. Bei diesem neuen Gesetz, diesem “Gute Kita”-Gesetz, zeigt der Bund übrigens, dass er uns sinnvoll unterstützen kann, ohne dabei die föderalen Strukturen auszuhöhlen. Denn mit diesem Gesetz wird uns nichts übergestülpt, und unsere Kompetenzen müssen wir nicht abgeben. Vielmehr erhalten die Länder Angebote. Und jedes Land schließt dann ganz individuell einen eigenen Vertrag mit dem Bund und wählt aus dem Bündel von Maßnahmen, das uns da angeboten wird, diejenigen aus, die wirklich zum eigenen Land und zum eigenen Bedarf passen. 

Wir in Baden-Württemberg sind darauf sehr gut vorbereitet, meine Damen und Herren. Die Kultusministerin steht schon lange in Verhandlungen mit den Kommunen, und gemeinsam haben sie den eben schon von der Kollegin Lösch angesprochenen Pakt für gute Bildung und Betreuung auf den Weg gebracht. Dieser Pakt für gute Bildung und Betreuung knüpft an das Qualitätskonzept für unser Schulsystem an. Denn wir wissen: Beide Bereiche sind eng miteinander verzahnt und eng miteinander verbunden. In beiden Bereichen – seien wir ehrlich – ist noch Luft nach oben. Wir wissen also gut, was wir in Baden-Württemberg brauchen, was wir uns aus dem Instrumentenkasten des Bundes auswählen wollen und was dann auch wirklich zu unserem Konzept passt. 

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) 

Vieles aus den zehn Handlungsfeldern, die das “Gute Kita”- Gesetz jetzt benennt, wollen wir 2019 umsetzen. Die zusätzlichen Finanzmittel des Bundes sind uns da durchaus willkommen. Wir wollen diese Bundesmittel ganz besonders auch für die Leitungszeit in den Kitas einsetzen; das hat die Kollegin Lösch eben auch schon angesprochen. Denn wir sind davon überzeugt, dass wir den Kitaleitungen noch größere Aufmerksamkeit widmen müssen. Für die Qualität der Einrichtungen sind sie wirklich der Dreh- und Angelpunkt geworden. Sie managen diese Einrichtungen, sie führen das Personal, sie entscheiden über die Fördermaßnahmen, und sie verwalten das Budget. Diese vielfältigen und verantwortungsvollen Aufgaben, liebe Kolleginnen und Kollegen, managt man heutzutage nicht so nebenher, mal so aus der Bastelecke heraus zwischen Taschentuch und Vesperbox. Nein, für die Leitung einer Kindertagesstätte braucht man Zeit, und Zeit bedeutet Geld. In diesem Fall bedeutet Zeit auch Qualität. 

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) 

Die Leitungszeit einer Einrichtung steht also auch für die Qualität einer Einrichtung. Dafür ist jetzt das Geld des Bundes gut investiert. Das sehen auch die kommunalen Landesverbände so. 

Um wie viel Geld geht es eigentlich? Um etwa 718 Millionen €. Die können wir von dem Kuchen, den der Bund zu verteilen hat, jetzt für Baden-Württemberg erhalten – wohlgemerkt: 718 Millionen €, verteilt auf die Jahre 2019 bis 2022. Was danach kommt – seien wir ehrlich –, das steht noch in den Sternen. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie wissen doch ganz genau, dass diese Summe nie im Leben reicht, um für alle Kinder und für alle Kitas Gebührenfreiheit zu garantieren. Um das zu erreichen, würde es ungefähr 730 Millionen € jährlich bedürfen. 

Ich finde, Sie streuen den Menschen wirklich Sand in die Augen. Denn das passt doch vorn und hinten nicht zusammen, mal ganz abgesehen davon, dass niemand sagen kann, wie lange die gute Konjunktur anhält und die Steuereinnahmen noch sprudeln; und wir müssen langfristig denken. 

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen) 

Ich finde auch, dass der Präsident des Gemeindetags, Herr Kehle, recht hat, wenn er sagt – ich zitiere –: 

Wir sollten nicht so tun, als ob der Staat unendlich belastbar sei. 

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen) 

Wir von der CDU wollen also das zusätzliche Geld des Bundes verantwortungsbewusst und intelligent einsetzen – für die Fachkräfteausbildung, für die Sprachförderung und auch für die Ausweitung der Leitungszeit. 

Wem, lieber Herr Stoch, käme denn diese pauschale Gebührenfreiheit für Kitas zugute? Es gibt schon jetzt eine familienbezogene Sozialstaffelung, und das “Gute Kita”-Gesetz kann hier noch weitere Erleichterungen schaffen. Wir sind durchaus bereit, diese neuen Bundesmittel auch zur Unterstützung von Familien, die jeden Cent umdrehen müssen, zu nutzen. Aber seit wann ist es sozialpolitisch sinnvoll, Besserverdienende aus der Solidargemeinschaft zu entlassen? Ich verstehe da wirklich die Welt nicht mehr. 

Liebe SPD, dass ausgerechnet Sie mit der Gießkanne durch das Land ziehen und alle Familien ohne Ansehen des Verdienstes von Kitagebühren freistellen wollen, verstehe ich nicht. Ich glaube, das hat auch Ihre Ministerin in Berlin so nicht gemeint. 

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) 

Für die CDU will ich hier ganz deutlich sagen: Wir halten am Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung fest, und bei uns sind es immer noch die Kommunen, die für die Festsetzung der Gebühren zuständig sind. Ich verstehe nicht ganz, worum es Ihnen dabei geht. Aber ich habe ein Zitat Ihres früheren Amtschefs im Kultusministerium gelesen, der sagt, bei dem Volksbegehren zu den Kitagebühren ginge es um die „Schärfung des Profils der Landes-SPD“. 

Meine Damen und Herren von der SPD, wollen Sie denn wirklich die Qualität, die gute Bildung und Betreuung unserer Jüngsten opfern, um das Profil der SPD zu schärfen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie das gebrauchen, um das Profil Ihrer Partei zu schärfen. 

Ich kann nur auf den Slogan der CDU zurückkommen: Auf den Anfang kommt es an. 

Wir nehmen die frühkindliche Bildung ernst, und für uns ist dabei klar: Gebührenfreiheit ist für sich genommen weder eine qualitative noch eine quantitative Stärkung des Angebots. Uns sind die Kinder und eine hochwertige Bildung und Betreuung wirklich wichtiger als das Profil der SPD – bei allem Verständnis; wirklich: bei allem aufrichtigen Verständnis für die Probleme, die Sie als Partei haben. 

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)