Aktuelle Debatte – Hochschulen stark machen – neue Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs und Gründer

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am dritten Tag nach der Bundestagswahl beantragen die Grünen hier im Landtag eine Debatte über die Hochschullandschaft in Baden-Württemberg. Ehrlich gesagt habe ich gedacht, dass die Menschen im Land vielleicht im Moment eher andere Fragen bewegen.

Ein Blick in den Pressespiegel von heute Morgen zeigt uns aber, dass die Hochschulpolitik die Öffentlichkeit doch stark beschäftigt. Die Hochschule Ludwigsburg sorgt leider wieder für negative Schlagzeilen. In Konstanz klagen Professoren gegen ihre Uni, weil man dort dem Wunsch – gerade der Grünen – nach einer Verpflichtung zu Open Access nachkommen will, und in Heilbronn wird – ich muss sagen: leider – die neue LHG-Novelle, die gerade in der Anhörung ist, heftig kritisiert.

(Abg. Gabi Rolland SPD: Zu Recht!)

Ich bin aber weiterhin der Meinung, dass wir hier in Baden-Württemberg im Wissenschaftsbereich sehr gut aufgestellt sind, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir wissen aber auch, dass wir hier im Land nicht mehr ganz allein dafür verantwortlich sind, welche Perspektiven es für den wissenschaftlichen Nachwuchs bei uns gibt und wie wir Gründer und Start-ups noch besser fördern können. Sie wissen alle: Es gab vor drei Jahren eine Lockerung des sogenannten Kooperationsverbots im Grundgesetz. Seitdem wirkt der Bund bei unserer Hochschulpolitik kräftig mit – bisher aller- dings, wie ich finde, nicht zu unserem Schaden. Wir konnten uns in den vergangenen vier Jahren wirklich nicht beklagen. Es flossen gewaltige Summen auch in unser Land. Ich denke, es ist auch der CDU-Bundesministerin zu verdanken, dass z. B. die Hochschulen für angewandte Wissenschaften noch stärker in den Blick genommen wurden. Denken Sie nur an das Programm „Innovative Hochschule“ in der neuen Exzellenzstrategie.

(Beifall des Abg. Winfried Mack CDU)

Das ist ein eigenes Programm für die Fachhochschulen und die Pädagogischen Hochschulen. Ich freue mich sehr, dass da auch schon vier Anträge aus Baden-Württemberg erfolgreich waren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Der Bund unterstützt uns auch bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Das ist ein Thema, das uns schon lange beschäftigt. Man muss ehrlich sagen: Wissenschaftspolitik lebt nicht nur von Innovationen, sondern gerade auch von langen Linien und stabiler Konstanz. Ich finde, es hat unserem Land gutgetan, dass es seit 1978, als ein eigenständiges Wissenschaftsministerium eingerichtet wurde, nur vier Wissenschaftsminister mit langjährigen Amtszeiten gab. Da gab es bei uns eine Konstanz, die sich bewährt hat.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Das darf auch so bleiben!)

Schon lange stellen wir uns die Frage: Wie können wir die Besten bei uns behalten? Kluge Köpfe werden überall gesucht.

Der Wettbewerb im Wissenschafts- und Forschungsbereich ist härter geworden und ist wirklich nicht zu unterschätzen, meine Damen und Herren.

Seit der Zeit von Minister Frankenberg gibt es sogenannte Juniorprofessuren, die junge Wissenschaftler schon früh an die Hochschulen in unserem Land binden sollen. Dies wollen wir jetzt – die Kollegin Seemann hat es angesprochen – im Landeshochschulgesetz noch weiter ausbauen und sogenannte Tenure-Track-Professuren im Gesetz verankern. Das ist ein eigenständiger Karriereweg hin zur Professur. Man muss sich nicht erst habilitieren, um sich dann irgendwann mal auf eine frei werdende Professur bewerben zu können. Vielmehr können vielversprechende junge Wissenschaftler ausgewählt wer- den und bekommen dann die Zusicherung, nach einer Phase der Bewährung, der sogenannten Tenure-Track-Phase, eine W-3-Lebenszeitprofessur zu erhalten.

(Beifall des Abg. Manuel Hagel CDU)

Dadurch wird der Weg zur Professur berechenbar, und die Berufung erfolgt schon viel früher im Leben, als das bisher der Fall war.

In anderen Ländern ist dies schon länger so geregelt. Bei der Reise des Wissenschaftsausschusses in die USA im letzten Frühjahr ist uns sehr deutlich vor Augen geführt worden, dass wir vielversprechende junge Wissenschaftler an das Ausland verlieren, wenn wir ihnen nicht rechtzeitig solche verlässlichen Perspektiven in unserer heimischen Wissenschaft aufzeigen können.

Auch hier hilft uns jetzt der Bund – Kollegin Seemann hat es angesprochen –: Durch das Tenure-Track-Programm sollen 1 000 neue Professuren eingerichtet werden. Auch ich freue mich, dass wir da schon die ersten 65 bewilligt bekommen haben.

Bund und Land ziehen also an einem Strang, um die Hochschulen zu stärken und den wissenschaftlichen Nachwuchs wie auch die Gründer zu fördern. Wir – das darf ich an dieser Stelle sagen – sind daher sehr interessiert daran, dass die Wissenschaftspolitik in Berlin wieder in gute Hände kommt, nachdem, wie ich gehört habe, Frau Wanka gesagt hat, dass sie nicht mehr zur Verfügung stehe.

Unsere Innovationsfähigkeit und damit unser Wohlstand hängen entscheidend davon ab, ob es gelingt, ein attraktives Forschungsklima zu entwickeln und Wege zu ebnen, wie die Erkenntnisse aus den Hochschulen heraus in die Unternehmen überführt werden können und wie sie als Produkte auf den Markt gelangen und dort auch erfolgreich verkauft werden können.

Auch die Frage, wie Wissenschaft und Wirtschaft zueinander finden, hat schon die früheren CDU-Wissenschaftsminister intensiv beschäftigt. Aber – das müssen wir wohl ehrlich sagen – in Zeiten der Digitalisierung – dieses Thema haben wir vorhin breit besprochen –, der Globalisierung und des verstärkten internationalen Wettbewerbs ist dieser Technologietransfer eine noch drängendere Frage, der wir uns stellen müssen.

Ich meine, wir können sehr froh sein, dass wir einen starken industriellen Sektor bei uns in Deutschland und besonders in Baden-Württemberg haben. Es ist einerseits ein Hindernis für junge Menschen, sich selbstständig zu machen, weil dort natürlich stabile und verlässliche Beschäftigungsverhältnisse winken. Aber die Industrie bietet auch enorme Chancen, wenn wir sie eben mit diesen neuen digitalen Möglichkeiten verbinden können. Bei uns werden noch 30 % des Bruttoinlandsprodukts in der Industrie erwirtschaftet. In den USA, in Frankreich, in England sind es glatt zehn Prozentpunkte weniger. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns das vor Augen führen.

Deswegen hat z. B. die Universität Stuttgart auf dem Vaihinger Campus die Arena 2036 aufgebaut, übrigens auch vom Bund und sogar von der EU mitfinanziert. Das ist eine Forschungsplattform für Mobilität. Sie versteht sich als eine Art Forschungsfabrik, eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Industrie und als Impulsgeber für die nächsten Fahrzeuggenerationen. Bis zum Jahr 2036 – das ist dann das 150-Jahr- Jubiläum des Automobils – soll dort geforscht werden, wie man die gesamte Wertschöpfungskette des künftigen voll digitalisierten Fahrzeugs neu denken, aber auch umsetzen kann. Die Universität Stuttgart hat auch eigens eine Tochtergesellschaft gegründet, eine Technologietransfergesellschaft, die bei Ausgründungen, bei Existenzgründungen unterstützen soll. Ich glaube, das sind ganz wichtige Maßnahmen, die schon vor einiger Zeit auf den Weg gebracht wurden.

Ich denke, wenn solch ein Geist an einer solchen Hochschule weht, dann überträgt er sich auch auf die Studierenden und ermutigt dann zur Selbstständigkeit und gibt vielleicht auch Anstöße dazu, ein eigenes Unternehmen zu gründen.

Die Möglichkeiten der Hochschulen, diese Unternehmensgründungen weiter zu fördern – das ist eben auch schon angesprochen worden –, wollen wir jetzt im Hochschulgesetz noch besser verankern und die Hochschulen wirklich berechtigen, diesen jungen Wissenschaftlern ihre Infrastruktur, die Labore, die Werkstätten, die Maschinen, die Büros zur Verfügung zu stellen, damit sie dort wenigstens einmal drei Jahre am Anfang ihrer Unternehmensgründung diese Möglichkeiten in einem geschützten Raum nutzen können. Wir haben auch damit schon gewisse Erfahrungen. Wir haben vor zwei Jahren einmal in Karlsruhe das CyberForum besucht, wo sich Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Unternehmer, Grün- der, aber auch Kreative, Studierende, Business Angels und auch Auszubildende miteinander vernetzen.

Ich glaube, die Zukunft liegt in dem vernetzten Zusammen- arbeiten. Ich denke, wir sind gut beraten, auf diesem Weg weiter voranzuschreiten. Bleiben wir dran! Die Konkurrenz schläft nicht. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern eben auch für die Wissenschaft.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)