Aktuelle Debatte – Hochschulen als Quelle der Gründungskultur

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich finde es gut und wichtig, dass wir uns in einer Aktuellen Debatte damit beschäftigen, was wir vonseiten der Politik möglicherweise leisten können, um in Baden-Württemberg die Gründerkultur voranzubringen. Denn die Innovationskraft junger Unternehmerinnen und Unternehmer ist ein entscheidender Baustein für den wirtschaftlichen Erfolg in unserem Land. Unternehmensgründungen von heute sind häufig der Mittelstand von morgen.

Dabei werden unsere Hochschulen immer wichtiger. Es wird zunehmend ihre Aufgabe sein, Impulse für Existenzgründungen zu geben und Start-ups zu fördern. Denn Tatsache ist: In Deutschland gibt es eine rückläufige Unternehmensgründungsquote. Baden-Württemberg steht im Bundesvergleich bei Unternehmensgründungen im „Deutschen Start-up-Monitor 2016“ recht gut da. 12,4 % der in Deutschland ansässigen Start-ups haben ihren Sitz in Baden-Württemberg.

Baden-Württemberg liegt auf dem dritten Platz nach Berlin und Nordrhein-Westfalen. Die Region Stuttgart/Karlsruhe wird in diesem Monitoring zusammengefasst und gilt sogar als einer der fünf deutschen Gründungs-Hotspots. Das verwundert uns nicht; denn wir haben ja gerade dort starke Universitäten und Fachhochschulen. 8,9 % der Start-ups in Deutschland befinden sich in Stuttgart oder in Karlsruhe.

Wir sehen also: Baden-Württemberg steht im Vergleich gut da, aber es gibt natürlich noch ganz schön Luft nach oben. Deswegen haben wir es uns zum Ziel gesetzt, Baden-Württemberg zur dynamischsten Gründerregion in Europa zu machen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das schaffen wir! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Nein, „Wir schaffen das!“, hat er gesagt!)

Wir wissen ja alle, dass gerade der IT-Sektor sehr schnell und innovativ ist. Wir müssen aufpassen, dass neue Entwicklungen nicht an uns vorbeigehen, sondern dass sie zu Wertschöpfungen auf unseren eigenen Märkten beitragen. Die Wirtschaftsministerin hat schon einige gute Ideen entwickelt, um eine neue Konzeption zur Gründerförderung herbeizuführen.

Für die CDU-Landtagsfraktion will ich ganz deutlich sagen: Wir sind der Meinung, dass wir hier ein Konzept aus einem Guss brauchen. Wir erwarten wirklich, dass das Wissenschaftsministerium und das Wirtschaftsministerium hier Hand in Hand arbeiten, dass sie sich gut miteinander abstimmen und die verschiedenen Maßnahmen miteinander vernetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ein wichtiges Kriterium für eine Unternehmensgründung, aber noch viel wichtiger bei einem jungen, hochinnovativen Start-up ist – das wissen wir alle – das Kapital. Daher begrüße ich es ausdrücklich, dass der bisherige Wagniskapitalfonds, den wir schon hatten, zu einem Innovationsfonds Baden – Württemberg weiterentwickelt werden soll.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ein weiteres zentrales Anliegen vieler Gründerinnen und Gründer – das gibt auch der Start-up-Monitor her – ist der Abbau von Verwaltungslasten. Sie wünschen sich schnelle, unbürokratische Verfahren. Es ist daher ganz im Sinne der Gründer, dass sich die Landesregierung dem Abbau von Bürokratie verschrieben hat und einen Normenkontrollrat einrichten will.

Was die Gründer natürlich besonders brauchen – gerade die jungen Start-ups –, ist eine passende digitale Infrastruktur. Es handelt sich ja häufig gerade um Geschäftsmodelle, die auf Digitalisierung basieren. Sie brauchen dann wirklich ein leistungsfähiges, ein schnelles Netz. Unsere Digitalisierungsoffensive, für die unser Innenminister verantwortlich zeichnet, ist hier genau die richtige Antwort.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Wir müssen uns aber auch klarmachen: Der Schritt in die Selbstständigkeit ist eine große Herausforderung und durchaus mit persönlichen Risiken verbunden. Nur wenige Menschen wollen sich dieser Aufgabe wirklich stellen. Laut der Studentenstudie 2016 von Ernst & Young wollen 32 % der Studierenden nach ihrem Abschluss im öffentlichen Dienst arbeiten. Da zeigt sich also ein ganz hohes Sicherheitsbedürfnis. Außerdem ist zu berücksichtigen: Gerade dann, wenn die Wirtschaft floriert und wenn viele Branchen händeringend nach gutem Personal suchen, sehen die gut ausgebildeten Fachkräfte nicht unbedingt die Notwendigkeit, das Risiko einzugehen, sich selbstständig zu machen.

Aber wo, wenn nicht in Baden-Württemberg, kann und soll man sich selbstständig machen? Baden-Württemberg ist das Land der Tüftler und Denker. Wir haben einen starken Mittelstand, und wir haben weltweit erfolgreiche Konzerne. Wir haben hier die große Chance, die Digitalisierung mit dem indus- triellen Know-how zu verbinden. Bei uns gibt es noch einen starken industriellen Sektor. Wenn dieser digital verknüpft, erweitert und unterstützt wird, kann er wahre Wunder vollbringen. Das müssen wir uns vor Augen führen: In Deutschland werden noch 30 % des Bruttoinlandsprodukts in der Industrie erwirtschaftet; in den USA, in Frankreich und in Eng- land sind es glatt zehn Prozentpunkte weniger. Das ist für uns wirklich eine große Chance.

Ich will ganz deutlich sagen: Wir müssen dabei das Rad nicht gänzlich neu erfinden. Baden-Württemberg hat schon immer versucht, geeignete Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen zu setzen. Das Bemühen, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenzubringen, hat bei uns eine lange Tradition.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Nehmen wir z. B. die Wissenschaftsstadt Ulm. Wir haben von der CDU-Fraktion aus dort kürzlich einen Besuch gemacht. Die Idee, Ulm zur Wissenschaftsstadt aufzubauen, geht auf Lothar Späth zurück,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ja!)

hat also auch eine lange Tradition. Wir sehen heute: In Ulm funktioniert die Zusammenarbeit, die Verzahnung zwischen Hochschulen, Unternehmen und Stadt – die Stadt spielt dabei auch eine große Rolle – ganz hervorragend.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Zuruf: Dank Ivo Gönner!)

Es zeigt sich dort, dass Forschungseinrichtungen und Hochschulen wirklich der Ausgangspunkt für die Gründung von Start-ups sein können. Aber Voraussetzung dafür ist natürlich gerade an den Hochschulen eine Kultur, die Studierende zur Unternehmensgründung ermutigt. Unternehmerisches Denken muss also noch stärker in den Hochschulen selbst veran- kert werden. Dazu gehört nach unserer Ansicht, dass das Leit- bild der unternehmerischen Hochschule wieder stärker in den Hochschulen verankert wird. Denn Eigenverantwortung ist ja der Kern für Selbstständigkeit. Das muss schon im Selbstverständnis der Hochschule eine Rolle spielen und stilbildend wirken, meine Damen und Herren.

Die Regierung hat im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass sie einen besonderen Schwerpunkt auf die Gründerkultur an den Hochschulen legen will. Das soll auch schon bei den Lehrplänen an den Schulen beginnen und mit Förderprogrammen ankiert werden. Aber auch dafür können wir an Vorhandenes anknüpfen. Ich nehme an, die Ministerin geht nachher beispielsweise auf das Förderprogramm „Junge Innovatoren“ ein, aber auch hier möchte ich darauf hinweisen: Das gibt es seit 1995.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wir haben in Baden-Württemberg natürlich kein Silicon Valley. Das wird ja jetzt überall als das ganz große Vorbild angesehen. Heerscharen von Politikern und Wirtschaftsvertretern pilgern derzeit dorthin. Ich persönlich muss sagen: Ich bin davon überzeugt, dass wir Silicon Valley nicht 1 : 1 nach Deutschland und Baden-Württemberg übertragen können. Wir können uns natürlich einiges davon abschauen und Impulse übernehmen, aber wir haben doch in unserem Land eine ganz andere Kultur, eine historisch gewachsene Kultur, die sich sehr stark von der in Amerika unterscheidet.

Allein schon die Hochschullandschaft ist anders. Wir haben schwerpunktmäßig öffentliche Hochschulen und nicht private, die Risikobereitschaft ist in unserer Gesellschaft anders ausgeprägt, unternehmerische Aktivitäten von Professoren sind bei uns in dieser Form überhaupt nicht üblich. Wir haben ein völlig anderes Verhältnis zum Geld. Das zeigt sich dann auch in der Bereitschaft, Geld in hoch riskante Vorhaben zu investieren. Wir haben einen strengeren Datenschutz, wir haben einen strengeren Arbeitnehmerschutz, wir haben Anforderungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und wir haben auch die Vorstellung, dass Studierende einen Abschluss machen sollen. Selbst dann, wenn sie eine noch so tolle Idee haben, sollten sie ihren Abschluss machen und ein klares Berufsbild aufweisen können. Das sind also schon ziemlich große Unterschiede, die verhindern, dass wir das einfach kopieren.

Aber wir haben ja trotzdem viele innovative Unternehmen und Start-ups bei uns in Baden-Württemberg, und ich bin davon überzeugt: Wir haben hochwertige Start-ups. Sie haben es ja schon gesagt, Herr Salomon: Nicht jedes Start-up fliegt so hoch, wie man es vielleicht erwartet. Insofern müssen wir auch unsere Mentalität etwas ändern. Dazu gehört auch, dass wir eine Kultur des Scheiterns entwickeln,

(Zurufe von der SPD)

dass wir Professoren vielleicht anders betrachten und vieles mehr.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Hoch erfolgreich! – Der Rednerin wird das Ende ihrer Redezeit angezeigt.)

Wenn ich bitte noch einen kleinen Moment Redezeit bekomme. – Ich möchte noch zwei Beispiele nennen. Bei mir im Wahlkreis, in Renningen, haben wir jetzt den Forschungscampus von Bosch. Dort wird beispielsweise Austausch mit Künstlern gepflegt, dort gibt es eine Kooperation mit der Akademie Schloss Solitude. Wir schauen also ganz weit über den Tellerrand hinaus. Wir wissen: Wir brauchen Kreativität, damit wir Innovationen auf den Weg bringen, und ich finde, dazu brauchen wir nicht einmal so sehr Förderprogramme und Fördermittel.

Wir brauchen vielmehr die von mir ansatzweise beschriebene neue Innovationskultur. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)