Herausforderungen für Bibliotheken durch die Digitalisierung

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sicherlich erinnern Sie sich alle an die Wissenspause, zu der der Bibliotheksverband uns alle im vergangenen Oktober hier im Landtag über die Mittagszeit eingeladen hatte. Unser Vizepräsident Wilfried Klenk sprach in seiner Eröffnungsrede von den wachsenden Ansprüchen der Wissensgesellschaft und davon, dass uns die Bibliotheken als Lotsen durch die neue Informationswelt leiten können.

Ich selbst bin immer wieder sehr begeistert davon, was für eine vielfältige Bibliothekslandschaft wir bei uns hier in Baden-Württemberg haben. So bieten die Stadtbüchereien z. B. schon längst nicht mehr nur Lesefutter auf Papier, sondern halten E-Books, Filme, elektronische Spiele und vieles andere ganz selbstverständlich im Angebot vor. In unseren Universitätsbibliotheken macht der Anteil der digitalen Angebote schon weit über 60 % aus.

Schon 1999 hat sich Baden-Württemberg entschlossen, für seine 58 wissenschaftlichen Bibliotheken gemeinschaftlich mit den großen Wissenschaftsverlagen zu verhandeln, um Lizenzen für elektronische Zeitschriften zu erwerben. Diese Lizenzen werden leider immer teurer und können von den einzelnen Universitäten im Prinzip gar nicht mehr selbstständig bezahlt werden. Mittlerweile wird darüber nachgedacht, diese Preisverhandlungen über ein bundesweites Konsortium zu führen, um eine stärkere Verhandlungsmacht gegenüber Großverlagen zu haben.

Nebenbei sei bemerkt, dass dabei zwar ein Vorteil für die Bibliotheken herauskommt, aber das Nachsehen haben möglicherweise kleinere Verlage, auch Wissenschaftsverlage, die wir hier im Land in sehr ansehnlicher Zahl zu verzeichnen haben. Diese können dann an diesem Budget der öffentlichen Mittel gar nicht mehr partizipieren, ganz abgesehen davon, dass wir auf diese Art und Weise im Grunde auch den Handel ausschalten.

Aber gerade die Naturwissenschaften sind auf diese großen, renommierten Zeitschriften als wichtige Quelle sehr angewiesen. Denn darin werden die neuesten Forschungsergebnisse präsentiert und aufbereitet. Bei den Geisteswissenschaften ist es ein bisschen anders; diese sind für ihre Arbeit eher auf die alten Buchbestände angewiesen. Deswegen müssen wir auch die Literatur aus früheren Jahrhunderten digitalisiert zur Verfügung stellen, z. B. damit Forscher aus der ganzen Welt darauf zugreifen können, ohne hierfür nach Baden-Württemberg reisen zu müssen.

Bereits vor zehn Jahren wurde daher in der Württembergischen Landesbibliothek hier in Stuttgart eine Digitalisierungswerkstatt eingerichtet. Dort werden nicht nur die eigenen Bestände digitalisiert, sondern diese Werkstatt arbeitet auch als Dienstleister und nimmt Aufträge von anderen Bibliotheken entgegen.

Das ist auch unter konservatorischen Gesichtspunkten gut. Denn es ist besser, die Wissenschaftler arbeiten mit dem Digitalisat, als dass sie ständig in den alten Büchern blättern. Papier altert; das wissen wir. Das gilt anscheinend ganz besonders für Literatur aus dem 19. Jahrhundert. Das Papier aus dieser Zeit scheint so beschaffen zu sein, dass es vergleichsweise leicht zerfällt. Hier leistet also die Digitalisierung auch einen Beitrag zum Schutz der Originale, obwohl – das sollten wir uns auch immer vor Augen führen – so ein altes Buch eine gewisse Aura hat, die man nicht missen möchte.

Insofern brauchen wir eigentlich beides: das alte, historische Buch und das Digitalisat. Wenn Sie einmal das Schiller-Nationalarchiv in Marbach besuchen, wird Ihnen das dort sehr deutlich erklärt und vor Augen geführt.

Dass es ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen Original und Digitalisat gibt, können Sie derzeit am Beispiel der „Stuttgarter Zeitung“ verfolgen. Da geht es nämlich darum, ob die Württembergische Landesbibliothek die historischen Jahrgänge der „Stuttgarter Zeitung“ weiterhin im Keller aufheben soll oder ob sie sie zum Altpapier geben darf.

Wir von der CDU setzen uns jedenfalls dafür ein, dass wir im Landeshaushalt immer ausreichend Mittel zur Verfügung stellen, damit wir diese Digitalisierung leisten können, denn wir sehen das als wichtiges Kriterium für unseren Forschungsstandort Baden-Württemberg an. Ich freue mich, dass wir die Haushaltsmittel dafür seit 2016 verdoppeln konnten – auch wenn es eigentlich nie genug ist und der Bedarf einfach immens hoch bleibt.

Unsere beiden Landesbibliotheken in Stuttgart und Karlsruhe haben auch die Aufgabe, Pflichtexemplare von Publikationen zu sammeln. Seit 2007 bezieht sich diese Aufgabe auch auf elektronische und Netzpublikationen, aber hier steckt alles noch immer in den Kinderschuhen. Was soll man sammeln? Wie soll man es archivieren? Wie soll man es für die Nutzung zur Verfügung stellen? Welche Homepages sollen eigentlich wie archiviert werden? Sie alle wissen: Eine Homepage wird immer wieder einmal umgestellt und verändert sich. Das alles sind Fragen, die uns noch beschäftigen werden, und zwar sowohl in technischer als auch in rechtlicher Hinsicht.

Bei alldem ist auch das Urheberrecht zu berücksichtigen. Das ist natürlich in einem Bundesgesetz geregelt, hat aber doch starke Auswirkungen auf Baden-Württemberg und die Wissenschaftslandschaft. Zum 1. März wird jetzt das neue Bundesgesetz in Kraft treten, das das Urheberrecht an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft angleichen soll.

Sie haben es vielleicht verfolgt: Um dieses Gesetz wurde wirklich lange und hart gerungen. Es gilt jetzt, sage ich einmal, nur als Kompromiss. Für die Lehre an den Hochschulen – denken Sie an die Semesterapparate, die dort immer wieder für einzelne Themen zur Verfügung gestellt werden –, aber auch an unseren Schulen ist es gut. Für die Bibliotheken und die Wissenschaft wird es damit leichter, Inhalte zu nutzen, ohne jedes Mal beim Autor oder beim Verlag dafür die Erlaubnis einholen zu müssen.

Die Vergütung soll dann über pauschale Nutzungsgebühren erfolgen und wird durch eine Verwertungsgesellschaft nach Verteilerschlüsseln mit den Urhebern und Verlagen abgerechnet.

An diesem Vorgehen gab es aber auch ganz starke Kritik, besonders von den Urhebern und den Verlagen. Man kann sich tatsächlich fragen, warum es im digitalen Zeitalter nicht möglich sein soll, wirklich nutzerbezogen und werkbezogen ganz genau abzurechnen. Ich glaube, nicht umsonst ist dieses neue Gesetz auf fünf Jahre begrenzt und soll es nach vier Jahren evaluiert werden.

Ich glaube, gerade von Baden-Württemberg aus sollten wir die Entwicklungen besonders aufmerksam beobachten; denn wir haben hier eine gewachsene Landschaft von kleinen und mittleren, mittelständischen Verlagen, die von der Digitalisierung durchaus stark betroffen sind und die in diesem Kräftemessen eben nicht unter die Räder kommen sollen.

Ich mache für die CDU ganz deutlich, dass es uns wichtig ist, dass wir die Werte und Rechte, die wir aus der analogen Welt kennen, so weit wie möglich auch in die digitale Welt über- tragen und sie nicht einfach über Bord werfen. Für uns gehören dazu ganz klar der Schutz des geistigen Eigentums, das Urheberrecht und auch unser Verständnis für die privatwirtschaftlichen Belange.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Ich glaube, wir werden hier noch viel zu leisten haben, um diese verschiedenen Anforderungen miteinander zu vereinbaren, die sich aus den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung ergeben, aus den berechtigten Wünschen unserer Bibliotheken und der Wissenschaft sowie aus den Ansprüchen der Nutzer, die im Zeitalter des Internets mittlerweile das Gefühl haben, alles, was technisch zur Verfügung steht, könne auch abgerufen und kostenlos genutzt werden. Da muss mögicherweise noch ein Umdenken einsetzen.

Darüber hinaus sind unsere Mittel, die Mittel der öffentlichen Hand, ja begrenzt. Wir müssen aber auch die Forderungen der Privatwirtschaft durchaus ernst nehmen und dies miteinander abgleichen. Ich glaube, das ist eine schwierige Aufgabe, eine Langzeitaufgabe. Aber es ist notwendig und wirklich sinnvoll, sich dieser Aufgabe mit aller Mühe zu verschreiben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)